Rächerin der Engel
solch einen Unsinn. Geh dich lieber waschen. In ein paar Stunden kommen dreihundert Gäste, und du siehst immer noch unmöglich aus.« Tully knallte die Tür des Sideboards zu und sah Bree an. »Sind Sie mit ihm fertig?«
»Ja«, erwiderte Bree. »Danke für das Gespräch, Russ.«
»Und? Vermuten Sie, mein Sohn habe das alles ausgeheckt, um meinen Mann zu töten?«
»Verflucht noch mal!«, empörte sich Fig. »Glaubst du etwa, ich hätte etwas mit Vaters Tod zu tun?«
Bree merkte, wie sie die Fäuste ballte, um zu verhindern, dass sie Tully mit einer Ohrfeige zur Raison brachte.
»Na los, Fig, verschwinde.« Tully wartete ungeduldig, bis sich die Tür hinter ihrem mürrischen Sohn geschlossen hatte. »Und? Haben Sie schon was erreicht? Abgesehen davon, dass Sie die meisten meiner Freunde verärgert haben.«
»Tatsächlich?«, entgegnete Bree. »Welche denn insbesondere? Einer Ihrer Freunde, Tully, hat Ihren Mann umgebracht. Und einen Polizisten. Ganz zu schweigen von der Tatsache«, fügte sie aufgebracht hinzu, »dass wir diese Liste von Verdächtigen gemeinsam aufgestellt haben.«
Tully bedeckte die Augen mit den Händen und stand einen Moment lang reglos da. »Tut mir leid.« Sie seufzte. »Tut mir wirklich leid. Das ist die erste große Party, die ich seit Russ’ Tod gebe, und ich benehme mich wie die letzte Zicke. Aber das kann ich nun mal am besten. Zickig sein.« Ihr Blick fiel auf Sascha, der sie ernst ansah. »Und du musst in den Garten raus, mein Junge. Es sei denn, du willst dich von Ciaran anniesen lassen.«
»Oje«, sagte Bree. »Das hatte ich ganz vergessen.« Sie stand auf und winkte Sascha in den Gang. »Geh Emerald suchen«, schlug sie vor. »Sie ist sicher in der Küche. Vielleicht gibt sie dir was Leckeres zu essen.« Gehorsam trottete Sascha davon. Bree schloss die Tür hinter ihm.
»Glauben Sie etwa, er versteht Sie?«, fragte Tully sarkastisch.
»Ich verstehe ihn. Das kommt aufs Gleiche raus.«
Es klopfte leise an der Tür. Im selben Moment schlug die Uhr auf dem Sideboard elf.
»Das werden Miss Langfinger und ihr Mann sein«, sagte Tully. Urplötzlich schlug ihre Stimmung wieder um, und sie sagte: »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee? Was Alkoholisches?«
»Ich hätte gern eine Tasse Kaffee.«
»Lass ich Ihnen bringen.« Die Tür öffnete sich. »Barrie, meine Liebe!«, sagte Tully. »Ciaran! Miss Beaufort kennt ihr ja bereits. Sie wird den Vertrag über euren Anteil an den Shakespeare Players mit euch durchgehen.«
Barrie schwebte herein, gefolgt von der imposanten Erscheinung ihres Mannes. Keiner der Fordhams war auf klassische Weise schön. Barrie hatte eine hohe Stirn, ihr blasses Gesicht war zu lang, ihr kleiner geschwungener Mund wirkte zu niedlich für das zeitgenössische Schönheitsideal. Ciaran war … eben Ciaran. Wenn sich die beiden im Zimmer befanden, war es schwer, woanders hinzusehen.
In Anbetracht der Tatsache, dass sie es mit einem Halbgott der Theaterwelt zu tun hatte, hielt sich Bree eigentlich recht gut. Sie stotterte nicht, sie wurde nicht rot, sie scheute sich nicht, den großen Schauspieler unverwandt anzusehen. Ciaran nahm ungezwungen an Tullys Schreibtisch Platz. Selbst in dieser Situation wirkte er noch würdevoll. Seine eindrucksvolle Baritonstimme war gedämpft, kaum mehr als ein lässiges Murmeln. Das Sonnenlicht, das ins Zimmer fiel, hob die Falten um seine Augen und seinen Mund zwar indiskret hervor – aber dieses Gesicht! Bree hatte das Remake von Sturmhöhe damals zusammen mit Francesca gesehen, und die Szene, in der Heathcliff durchs Fenster spähte, um einen sehnsüchtigen Blick auf Catherine Earnshaw zu werfen, hatte sie beide zu Tränen gerührt. Und jetzt saß dieser Mann hier direkt vor ihr.
Und nieste.
»Hier im Zimmer war ein Hund«, stellte Barrie vorwurfsvoll fest. Aus der Nähe wirkten ihre großen, tragisch umflorten Augen eher wie Knopfaugen. Und der berühmte samtige Teint war von einem Netz feiner Falten überzogen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sir Ciaran gegen Hunde allergisch ist.«
Sir Ciaran nieste von Neuem.
Tully schüttelte den Kopf. »Ich hol dir ein paar Taschentücher, Ciaran.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte der große Mann. Das Niesen machte ihn so menschlich, dass Bree überzeugt war, dass sie ein Autogramm für ihre Mutter von ihm bekommen würde.
Bree eröffnete das Gespräch mit der Finte, die Tully vorgeschlagen hatte. »Hat Ihr eigener Rechtsanwalt sich den Vertrag schon angesehen?«, fragte
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