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Rätsel um die alte Villa

Rätsel um die alte Villa

Titel: Rätsel um die alte Villa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sowieso nicht durch.“
    Sie radelten über den Zubringer
zum Internat. Im Westen berührte die Sonne den Horizont. Ihre letzten Strahlen
vergoldeten die Kirchtürme und Hochhäuser der Stadt. Auf einem Feld fuhr ein
Bauer mit seinem Traktor. Ein Heuwagen begegnete ihnen.
    Als sie das Internat
erreichten, versteckten sie ihre Räder in einem Gebüsch außerhalb der Mauer.
Das mußte sein, denn nachts wurde der Fahrradkeller abgeschlossen — und das Tor
meistens auch.
    Beim EvD, dem Erzieher vom
Dienst, meldeten sie sich zurück.
    Es war ein junger Assessor, der
darunter litt, daß er aussah, als würde er demnächst erst Abitur machen. Er tat
alles Mögliche für eine würdige Erscheinung. Aber sein Backenbart war so
flaumig gewesen, daß er an dunkle Spinnweben erinnerte und bald der Schere zum
Opfer fiel. Auch das Höhensonnengerät, mit dem er sich täglich bestrahlte,
änderte nicht viel an seinem Milchgesicht. Der rosige Hauch wurde stärker, aber
eine wetterharte Bräune wollte sich nicht einstellen. Leider glich Dr. Simmer —
so hieß er — seine Unsicherheit mit übertriebener Strenge aus. Wer sich eine
Minute verspätete, war dran. Wer lotterig rumlief, wurde abgekanzelt. Bei den
Schülern war er so beliebt wie Bauchweh.
    „Sauerlich“, sagt er jetzt, „Du
bist total verschwitzt, und dein Hemd ist wieder mit Schokolade beschmiert.
Etwas mehr Ordnung, wenn ich bitten darf.“
    Scharfäugig musterte er Tarzan,
ob sich an dem nichts fand.
    „Ich will ehrlich sein, weil
ich die Unwahrheit hasse“, sagte Tarzan, ohne eine Miene zu verziehen. „Deshalb
gestehe ich, ich habe ein Loch im Strumpf. Glücklicherweise fällt das nicht
auf. Weil ich meistens Schuhe trage.“
    „Was soll das heißen, Carsten?“
schnappte Dr. Simmer. „Du denkst wohl, du kannst dir was rausnehmen? Weil du
gute Leistungen bringst und in der Schulmannschaft Volleyball spielst, wird dir
noch lange keine Extrawurst gebraten.“

    „Ist mir völlig klar, Herr
Doktor. Deshalb werde ich auch sofort die Socken wechseln.“
    Dr. Simmer reichte Tarzan nur
bis zur Nasenspitze. Daß er sich jetzt reckte, half wenig. Er wurde nicht
größer, sein Teint aber rosiger; und hinter der Brille verschossen seine
porzellanblassen Augen giftige Blicke.
    „Ist das jetzt Dummheit oder
Frechheit, Carsten?“
    „Wie bitte? Ich verstehe nicht,
Herr Doktor. Eigentlich ist das doch Ordnungsliebe, wenn ich wert lege auf
Strümpfe ohne Löcher.“
    „Macht, daß ihr ins Bett
kommt!“ fauchte der Assessor. „Und ich rate euch, nicht zu bummeln.“
    Wütend stampfte er davon.
    Als er hinter der Flurbiegung
verschwunden war, sagte Klößchen: „Das wird nie ein angenehmer Mensch — und
schon gar kein verständnisvoller Pauker. Bin ich froh, daß wir bei dem keinen
Unterricht haben.“
    Sie gingen ins ADLERNEST.
    Klößchen bewilligte sich ein
halbe Tafel Nußschokolade. Im Waschsaal duschten sie und putzten sich die
Zähne.
    Als Klößchen sich mit dem Kamm
einen ordentlichen Scheitel zog, meinte ein älterer Mitschüler: „Gehst du noch
aus? Oder machst du dich fein für das Sandmännchen?“
    „Ich bin im Traum schon zweimal
dumm angeredet worden, weil mir die Haare ins Gesicht hingen. Deshalb! Und
jedesmal habe ich von einem Doofmann geträumt, der mich fragte: Gehst du noch
aus? Oder machst du dich fein für das Sandmännchen?“
    „Du kriegst gleich ein paar
hinter die Ohren“, meinte der Junge.
    Er war 16, ging in die 10.
Klasse und hatte in diesem Waschsaal eigentlich nichts zu suchen. Zum Internat
gehörte er erst seit kurzem. Aber das hatte schon gereicht, um sich unbeliebt
zu machen.
    Drohend faßte er Klößchen am
Arm.
    Tarzan, der sich gerade die
Zähne putzte, nahm die Bürste aus dem Mund.
    „Wenn du hier heil herauskommen
willst“, sagte er, „würde ich an deiner Stelle Willis Arm sofort loslassen.“
    Der Junge wandte sich um. „Wer
bist du denn, he?“
    „Das ist mein Freund Tarzan“,
sagte Klößchen.
    Die Frechheit, die der andere
auf der Zunge hatte, schluckte er hinunter, obwohl er daran fast erstickte. Ein
verlegenes Grinsen breitete sich über sein Gesicht.
    „So? Aha! Nun... War ja nicht
so gemeint. War nur Spaß.“
    Eilig hängte er sein Handtuch
auf. Noch eiliger verließ er den Waschsaal.
    „Dein Ruf hat sich
rumgesprochem“, sagte Klößchen. „Das genügt schon. Brauchst keinem mehr die
Knochen zu verbiegen.“
    „Um so besser. Du weißt ja: Ich
bin gegen Gewalt.“
    „Ich weiß: Solange es sich
vermeiden

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