Rätsel um die alte Villa
brauchen?“
„Natürlich nicht. Wir... hm...
was denn? Ich hab’s. Wir sagen, wir wollen Karls Eltern mit einer Art Chronik (Geschichtswerk,
das die Ereignisse in ihrer zeitlichen Reihenfolge darstellt) der Villa
überraschen. Sozusagen die Geschichte der Eigentümer. Wer hier aus- und
einging. Und wir fangen zwangsläufig am Ende an — nämlich bei Labutzka.“
Gaby war aufgestanden. Mit der
Hand bürstete sie sich über den Po, wo ein paar Grashalme an den Jeans
hafteten. Dann warf sie ihr Haar nach hinten und strich über den Pony, bis sie
glaubte, ordentlich auszusehen.
Unauffällig, aber fasziniert (gefesselt) sahen die Jungen ihr zu.
Auch Oskar beobachtete sein
Frauchen, das ihn an die Leine hakte.
„Bis gleich“, sagte Tarzan zu
Karl und Klößchen.
„Viel Erfolg!“ rief Karl.
„Vielleicht stoßt ihr auf einen weiteren Komplicen.“
Als sie durch die Einfahrt
gingen, war Tarzan auf Gabys rechter Seite. Einen Moment zögerte er, überlegte,
ob er sich an die alte Anstandsregel, daß Frauen und Mädchen immer rechts
gehen, halten sollte. Dann wechselte er scheinbar zufällig nach links.
„Finde ich gut“, sagte Gaby.
„Was meinst du?“
„Daß du als Kavalier an meiner
linken Seite gehst.“
„So? Ach... Kavalier... Naja.“
„Doch, ich finde es gut.
Heutzutage setzen sich ja die meisten über alles hinweg, weil sie den Sinn für
gutes Benehmen nicht einsehen. Eigentlich ist ja auch nicht zu Begreifen, warum
es besser sein soll, Kartoffeln mit der Gabel zu zerteilen, statt mit dem
Messer zu zerschneiden.“
„Kartoffeln schneide ich
durchaus mit dem Messer“, sagte er. „Das tut keinem weh. Aber wenn einer bei
Tisch schlürft, schmatzt, sich kratzt — dann ist das eine Unverschämtheit, weil
er seine Umwelt beleidigt. Empfindlichen Gemütern wird übel bei so einem
Anblick. Und daß die Frauen immer rechts gehen, hängt sicherlich damit
zusammen, daß bei den meisten“, er lachte, „das linke Profil hübscher ist.“
„Das linke? Ach? Und wie ist es
bei mir?“
„Hm. Weiß nicht.“
Gaby blieb stehen.
Erst drehte sie ihm das rechte
Profil zu, daß er ungefähr schon 10 000mal bewundert hatte, heimlich natürlich;
dann zeigte sie ihm die andere Kopfseite, die er genauso gut kannte und ebenso
toll fand.
„Nun?“
„Ich würde sagen: Sind gleich.“
„Gleich was?“
Sie will hören, daß sie
unheimlich dufte aussieht, dachte er. Sie weiß es natürlich. Eigentlich könnte
sie enorm eingebildet sein. Andere Mädchen wären es bestimmt. Aber Gaby ist
höchstens ein bißchen kokett.
„Nahezu der gleiche Ausdruck“,
sagte er. „Links hast du allerdings sieben Sommersprossen — das ist geschätzt —
mehr.“
„Es sind genau sieben. Ich
wußte gar nicht, daß du mich so genau ansiehst.“
„Ist geschätzt. Reiner Zufall.“
Sie lächelte, senkte die Lider
und bedachte ihn mit einem Blick durch ihre langen, dunklen Wimpern.
Diesen Blick spürte er bis in
die Kniegelenke, die sich in Kaugummi zu verwandeln schienen. Wäre er ein
Eisblock gewesen, hätte auf der Straße jetzt eine Pfütze gestanden.
„Probieren wir’s mal dort!“
sagte er rasch und wies auf den Nachbarn zur Rechten.
Der Garten war nicht viel
kleiner als der von Viersteins Villa, hatte aber keine Bäume und keine
schmiedeeiserne Umfriedung. Verwildert war er allerdings genauso. Das Unkraut
tobte sich aus und hatte an einigen Stellen den Asphalt der Einfahrt emporgewölbt
und auch schon durchbrochen.
Den kleinen Bungalow hatte man
von der Straße zurückgesetzt.
Die Kinder gingen zum Haus. Es
war L-förmig gebaut, im Winkel hatte man eine Terrasse angelegt. Dort standen
Gartenstühle. Ein älteres Ehepaar saß bei Kaffee und Kuchen unter einem
grünrot-gemusterten Sonnenschirm.
Als Gaby und Tarzan sich
zögernd näherten, blickte der Mann von seiner Zeitung auf.
„Wir kriegen Besuch, Herta“,
rief er — und schien erfreut zu sein.
Die beiden grüßten höflich.
„Entschuldigen Sie bitte, daß
wir stören“, sagte Tarzan. „Ich bin Peter Carsten. Das ist Gaby Glockner. Wir
sind Freunde von Karl Vierstein. Das ist der Sohn des Professors, der jetzt
nebenan einzieht.“
„Davon haben wir schon gehört“,
sagte die Frau. „Wir freuen uns, daß wir so nette Nachbarn bekommen.“
Sie hießen Herta und Sebastian
Schubert, mochten über 60 sein, kleideten sich aber mit T-Shirt und Jeans wie
ihre Enkel, die sie sicherlich hatten.
Frau Schubert hatte ein
freundliches Gesicht mit großen
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