Rätsel um die alte Villa
braunen Augen. Ihr silbergraues Haar war zu
frechen Löckchen gedreht.
Ihr Mann sah aus wie ein
schlankgehungerter Buffalo Bill: Grauer Kinnbart, graue Künstlermähne, ein
scharfgeschnittenes Gesicht mit lebhaften Augen. Seine Kleidung wies so viele
bunte Tupfer auf wie ein Tuschkasten Farben hat. Auch die Hände und nackten
Unterarme waren davon nicht verschont.
„Sind Sie Kunstmaler?“ fragte
Tarzan, nachdem die Schuberts sie aufgefordert hatten, am Tisch Platz zu
nehmen.
„Du hast es erraten. Ich bin
Porträt (Bildnis vom Menschen)- Maler. Deshalb mußt du verstehen, wenn ich
deine Freundin so ausgiebig betrachte. Kleines Fräulein, deine Lieblichkeit
blendet mich. Du mußt mir Modell sitzen. Ein Bild von dir — das ist verkauft,
bevor ich es fertig habe. Zum Höchstpreis. Der Ausdruck, Gaby, in deinem
Gesicht — da lacht das Auge des Malers.“
Jetzt! — tatsächlich, dachte
Tarzan, jetzt wird sie rot. Na also! Wenn ein Kompliment wie mit der Gießkanne
über ihr ausgegossen wird, dann macht das verlegen.
„Ja, ich... ein Bild von mir?
Doch, gern! Da bin ich gern Modell. Oder malen Sie abstrakt?“
Schubert lachte. „Nein. Ich
bemühe mich, die Wirklichkeit so genau zu kopieren, als wäre mein Pinsel ein
Fotoapparat und die Leinwand ein Farbfilm. Mit einer Einschränkung. Wenn ein
Maler Menschen porträtiert, bemüht er sich immer, ihr Wesen zu erfassen. Das
sollte das Gesicht dann auch ausdrücken — auf dem Bild.“
„Und wie sehen Sie mich?“
„Du bist zwar kess und läßt dir
die Butter nicht vom Brot nehmen, hast aber eigentlich mehr ein zärtliches
Gemüt — und wirst bestimmt mal sehr anschmiegsam. Habe ich recht?“ wandte er
sich an Tarzan.
Lachend erwiderte der: „Ich
kann nur das mit der Butter und dem Brot beurteilen, aber das andere stimmt
sicherlich auch.“
„In ein paar Jahren“, meinte
der Kunstmaler verschmitzt, „wirst du mir mehr sagen können. Aber ihr habt ja
noch Zeit. Hier ist Kuchen. Bitte, langt zu!“
Die beiden bedankten sich und
sagten, daß sie schon zuviel Kuchen gegessen hätten.
Jetzt muß ich aber allmählich
auf unser Anliegen kommen, dachte Tarzan. Hoffentlich ist unser Vorwand
einigermaßen glaubwürdig.
„Wir wollten Sie etwas fragen“,
sagte er. „Es geht nämlich darum, daß wir eine Chronik der Villa — der
Vierstein-Villa — anfertigen wollen. Ist ja wirklich ein sehr schönes, altes
Haus, mit einer sicherlich nicht unbewegten Vergangenheit. Wir dachten uns: Sie
als Nachbar wüßten vielleicht einiges. Zum Beispiel über den letzten
Eigentümer, Herrn Labutzka.“
„Über Franz Labutzka, den
Schrotthändler?“ Schubert schüttelte den Kopf. „Ihr müßt wissen, wir wohnen
erst seit fünf Jahren hier. Und fast genauso lange ist er schon tot — nein,
nicht ganz. Es wird ungefähr vier Jahre her sein. Aber nachbarschaftliche
Beziehungen konnten sich in dem einen Jahr nicht entwickeln. Im Grunde kannten
wir uns nur sehr flüchtig.“
„Schade“, meinte Tarzan
enttäuscht.
„Wissen Sie jemanden, der uns
etwas über Herrn Labutzka erzählen könnte?“ fragte Gaby.
Frau Schubert hatte Oskar
bewundert und gleich mit ihm Freundschaft geschlossen. Hingebungsvoll ließ er
sich von ihr den Bauch kraulen.
„Seine Freundin, die Riedel“,
sagte sie zu ihrem Mann.
Er nickte. „Richtig. Das wäre
eure Adresse. Die Dame war eng befreundet mit Labutzka. Möglicherweise hätte er
sie eines Tages geheiratet, obwohl er eigentlich nicht der Typ war, der sich
bindet.“
„Riedel?“ wiederholte Tarzan
den Namen.
„Regina Riedel. Die Adresse
weiß ich nicht. Aber sie wohnt in der Stadt und steht im Telefonbuch. Sie
betreibt nämlich in Heimarbeit ein kleines Schreibbüro. Und neulich erst habe
ich irgendwo — ich glaube in der Zeitung — ihre Anzeigenwerbung gesehen.
Demnach heißt sie immer noch Riedel, ist also nach wie vor ledig.“
13. Erinnerungen an Labutzka
Regina Riedel wohnte in der
Kirchstraße, die sicherlich so hieß, weil es weit und breit keine Kirche gab.
Es ging auf 17 Uhr. Goldenes
Sonnenlicht wärmte die Hausfassaden. Wochentags brodelte hier der
Straßenverkehr; aber heute herrschte sonntägliche Ruhe. Gegen Abend freilich
würde sich das ändern, wenn die Ausflügler aus der Umgebung heimkehrten.
Zu viert hatten sie sich auf
den Weg gemacht, Oskar lief treu und brav mit, obwohl er heute schon eine
gewaltige Strecke zurückgelegt hatte. Allerdings macht das einem Cocker Spaniel
nichts aus. Diese Rasse gehört
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