Rätselhafte Umarmung
ins Zimmer, eine Neunmillimeter Smith & Wesson in der Hand. Er zielte mit der Waffe auf Porchind und lächelte ihn kalt an. Seine grauen Augen glühten.
»Laß das Ding fallen, Freundchen.« Es klang wie eine tiefe, rauhe Liebkosung.
»Wo ist Rasmussen?« fragte Bryan.
»Vor dem Haus bei Deputy Skreawupp.«
»Bryan!« rief Rachel aus, die ins Zimmer gerannt kam. Ihre Wangen waren kalkweiß, die Augen weit aufgerissen. »Ist dir etwas passiert? Wir haben einen Schuss gehört.«
»Mir geht es gut«, antwortete er kühl.
Er wandte sich von ihr ab, hängte das Porträt Arthur Drakes wieder an seinen Platz und fuhr mit den Fingerspitzen über die patinierte Messingplakette unter dem Bild.
»Ist mit dir alles in Ordnung?« fragte er, während sie beide zuschauten, wie Shane den stöhnenden Porchind hochzog und in den Flur schubste.
»Ja.«
»Und mit Addie?«
»Machst du Witze? Die Polizei ist im Haus«, sagte Rachel ironisch. Sie versuchte erfolglos, sich ein Lachen abzuringen. »Sie ist außer sich vor Begeisterung.«
Das Schweigen, das sich plötzlich über sie senkte, war beklemmend und voller unausgesprochener Fragen. Bryan genoss ihren Anblick, versuchte sich genau einzuprägen, wie sie in diesem Augenblick aussah - jung und verängstigt, in einem unförmigen T-Shirt und Jeans und mit ihren blonden Haaren, die ihr wie ein unordentlicher, seidener Vorhang halb ins Gesicht fielen.
Schließlich brach sie das Schweigen mit einer Frage, die nichts mit dem zu tun hatte, was ihr auf der Seele lag. »Woher hast du gewusst , daß die beiden heute abend kommen würden.«
»Ach, ich hatte so eine Ahnung. Eigentlich habe ich sie geschickt.«
Sie sah ihn verdutzt an.
»Ich wollte das einfach noch regeln, bevor ich weggehe.«
»Du gehst weg?« Das Herz schlug ihr bis in den Hals. »Weg aus Anastasia?«
»Ich habe einen Auftrag in Ungarn.«
»Ich verstehe.«
»Aber erst wollte ich für dich das Gold finden«, erklärte er. »Schließlich verdienen du und Addie es eher als Schweinchen Schlau und sein dürrer Freund.«
Rachel ließ den Kopf hängen und seufzte. Er war zurückgekommen und hatte sein Leben für etwas riskiert, das überhaupt nicht existierte. Nur ihretwegen. Was sollte sie nur tun? Sie würde ihn bis zum letzten Atemzug lieben, aber sie konnte es sich nicht leisten, mit ihm zusammen einem Traum nachzujagen.
Sie sah zu, wie Bryan zum Kamin ging und den Schürhaken von dem schweren Messingständer mit den Kamingeräten nahm. Dann schlug er mit dem hammerförmigen Griff gegen den Ziegelstein, den Porchinds Kugel getroffen hatte. Die dünne Ziegelschicht platzte, bröckelte ab und legte glänzendes Gold frei.
»>Gold wird durch Feuer gehärtet«< zitierte er, »>ein tapferer Mann durch Ungemach.< Seneca.«
Rachel starrte gebannt auf das Gold. Sie sank vor dem Kamin auf die Knie und legte eine zitternde Hand auf den Schatz, der all die fahre sicher und unentdeckt hinter einer Wand falscher Ziegel gelegen hatte.
»O mein Gott - es ist echt«, hauchte sie ehrfürchtig. »Echtes Gold.«
»Ja«, murmelte Bryan, der neben ihr stand. »Und es ist ein beträchtliches Vermögen, obwohl ich zugeben muss , daß ich den genauen Marktwert nicht kenne. Vielleicht rufst du am besten Dylan Harrison an. Er beschäftigt sich nebenbei mit Geldanlagen. Er kann dir bestimmt in Dollar und Cents ausrechnen, wieviel es wert ist.«
Im Augenblick war ihr vollkommen egal, wieviel es wert war. Sie wusste , wieviel es wert war. Es befreite sie von all ihren finanziellen Sorgen. Es bedeutete, daß sie Drake House nicht verkaufen musste . Sie mussten nicht aus Anastasia wegziehen. Sie konnte all ihren Wirklichkeitssinn über Bord werfen.
Sie schloss die Augen und lachte vor Glück und Erleichterung. Seufzend legte sie eine Wange auf die freigelegten Goldbarren.
»Es war die ganze Zeit da«, flüsterte sie. »Wie durch ein Wunder.«
»Ja«, bestätigte Bryan traurig. »Gut, daß wenigstens einer von uns daran geglaubt hat.«
Kapitel 14
Bryan wollte aus dem Zimmer gehen, aber die Tür war zugefallen und ließ sich nicht mehr öffnen. Er senkte den Kopf und atmete langsam und konzentriert aus, um seine Wut zu zügeln. Rachel hatte keinen Zweifel daran gelassen, welche Rolle er in ihrem Leben spielen würde - nämlich keine. Er hätte nur gern einen würdevollen Abgang gehabt, aber dieses Privileg wurde ihm offenbar verwehrt. Er hatte das Gefühl, er wusste , warum, aber er war kaum in der Stimmung, sich von einem sechsten Sinn
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