Rätselhafte Umarmung
mit beiden Händen, drehte ihn, zerrte und rüttelte daran, aber die Tür blieb zu.
»Verdammt«, fluchte sie schniefend, während sie an dem Knauf zog und gleichzeitig mit der Spitze ihres Slippers gegen das Türblatt trat. »Zum Teufel mit diesem blöden alten Kasten.«
Bryan sah ihr zu. Er fühlte sich so elend, daß es ihm körperlich weh tat. Er hatte alles so gemeint, wie er es gesagt hatte, aber er hatte nicht vorgehabt, das jemals laut auszusprechen. Er hätte alles getan, um Rachel Kummer zu ersparen, und dennoch hatte er sie eben verbal niedergedrückt, weil er frustriert war. Es geschah ihm ganz recht, wenn sie nie mehr mit ihm sprach, dachte er zerknirscht. Es geschah ihm ganz recht, wenn sie ihn aus dem Haus warf. Oder vielleicht sollte er lieber selbst gehen.
Entschuldige dich, du Idiot.
Er zögerte, aber plötzlich bewegten sich seine Füße. Es war fast, als würde ihn eine fremde Macht zu Rachel hin ziehen, die immer noch mit der Tür kämpfte. Er blieb hinter ihr stehen und legte sacht die großen Hände auf ihre Schultern. Sie zuckte zusammen und versteifte sich, als fürchtete sie,,er könnte sie schlagen. Bryan sank innerlich zusammen. Nicht genug, daß es ihm jetzt leid tat, was er eben getan hatte; er musste auch noch Rachels Schmerz spüren. Wahrscheinlich war das nur berechtigt, vermutete er, aber trotzdem verfluchte er seinen sechsten Sinn. '
»Es tut mir leid«, flüsterte er und senkte den Kopf, bis der süße Duft ihres Haares in seine Nase stieg. »Es tut mir leid, mein Engel. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ich weiß, daß du dein Bestes versuchst. Ich hätte mich nicht gehenlassen dürfen.«
Rachel versuchte, sich aufrecht zu halten, aber irgendwie konnte sie der eigenartig physischen Kraft nicht widerstehen, die sie in seine Arme drückte. Seine Worte hatten ihr so weh getan, daß ihr immer noch Tränen in den Augen standen, aber insgeheim hatte sie ebenfalls ein schlechtes Gewissen. Sie hatte den Streit ausgelöst, indem sie Bryans Begeisterung zum Platzen gebracht hatte wie eine Seifenblase. Vielleicht war er weder vernünftig noch verantwortungsvoll, aber schließlich wollte er ihr auf seine eigene Art nur helfen. Und sie konnte nicht abstreiten, daß sie ihn liebte und daß es ihr weh tat, ihn zu verletzen.
Schließlich gab sie sich mit einem Seufzer geschlagen und ließ sich von Bryan in seine Arme ziehen. »Mir tut es auch leid.«
Ihr tat so vieles leid. Es tat ihr leid, daß ihre Lebensauffassungen so unvereinbar waren. Es tat ihr leid, daß das Schicksal sie zu einem so ungeeigneten Zeitpunkt zusammengeführt hatte. Es tat ihr leid, daß sie nicht so wie er an Magie glauben konnte.
»Ich will nicht mit dir streiten«, flüsterte sie. Sie drehte sich in seinen Armen um und schlang ihre Arme um seinen Hals. Ihnen blieb ohnehin nicht mehr viel Zeit miteinander, dachte sie, und das
Herz wollte ihr bei dem Gedanken zerspringen. Die Zeit mit ihm war zu kostbar, um sie mit sinnlosen Auseinandersetzungen zu verschwenden.
B ryan drückte sie an seine Brust und schloss die Augen, um den Schmerz besser zu ertragen. Er musste einen Weg finden, wie er ihr zeigen konnte, daß sie sich nicht ganz und gar aufopfern musste . Vor allem musste er ihr zeigen, daß sie ihre Liebe nicht opfern musste , daß diese Liebe stärker war als alles andere, wenn Rachel nur daran glaubte.
Ein vorsichtiges, herzerweichendes Lächeln zog sich um seine Lippen, und seine blauen Augen sahen sie treuherzig an.
»Sind wir wieder Freunde?«
Rachel nickte. Sie schniefte, blinzelte die letzten Tränen weg und hob eine Hand, um eine vorwitzige Locke wegzustreichen, die Bryan in die Stirn und über die Augen fiel. Sie lächelte nachsichtig-
»Ich dachte, du wolltest zum Friseur.«
Er sah sie so verständnislos an, daß sie beinahe lachen musste , dann senkte sie schuld bewusst den Kopf. Seine Ohren wurden rot, und er ließ betreten den Kopf hängen. »Ah ... das habe ich vergessen.«
»Komm mit«, sagte Rachel. Sie lachte leise. »Vielleicht können wir Mutter überreden, dir die Haare zu schneiden, sie ist ein wahres Naturtalent mit der Schere.«
Sie lächelten einander an, und die Wunden, die sie einander zugefügt hatten, schlössen sich. Dann drehte Bryan verdächtig leicht den Türknauf, und sie verließen gemeinsam das Arbeitszimmer.
Kapitel 12
Der Ausdruck Morgenstund hat Gold im Mund hatte für Bryan eine ganz neue, persönliche Bedeutung angenommen. Seit er vor drei Tagen von der
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