Räuberbier
schloss und weiterfuhr, atmete er erleichtert auf und zog die obligatorische Banane aus dem Kittel, deren Haltbarkeitsdatum seit Äonen abgelaufen war.
Ich versuchte, ihm eine Falle zu stellen. »Na, Herr Metzger, wieder mal kein Geld übrig für Benzin?«
»Wieso?«, fragte er zurück.
»Wegen Ihrer Panne natürlich.«
»Welche Panne? Ach so, ja ja, Panne, natürlich.« Er nickte wie ein Wackeldackel.
Ich musste ihn weiter provozieren. »Haben Sie Ihren Wagen richtig abgesichert? Nein? Ich sage dem Fahrer Bescheid, dass er kurz anhält. Dann können Sie das Warndreieck aufstellen.«
Er starrte mich an. »Um Himmels willen, Herr Palzki. Nur das nicht. Ich gehe da nicht zurück, solange die …«
»Solange wer?«
Er war gebrochen. Mit dünner Stimme beichtete er: »Frau Müller-Pappheimer. Ich seh’s ja ein. Zwei Sachen sollte man nicht gleichzeitig machen.«
»Welche beiden Sachen?«
»Operieren und Auto fahren.« Er schaute in den Rückspiegel. »Die ist mächtig sauer auf mich. Dabei soll Sie doch froh sein, dass ich Ihre Altersflecken günstig entferne. Kleine Missgeschicke können immer mal passieren.«
Endlich ein Toter
Was blieb uns anderes übrig, als diesen Not-Notarzt mit zur Brauerei zu schleppen? Zeitlich waren wir viel zu knapp, um einen Zwischenstopp oder einen Umweg einplanen zu können.
Mit gemischten Gefühlen versuchte ich, Dr. Metzger unser Ziel zu erörtern. Hoffentlich würde er seine Klappe halten und nichts davon an die Öffentlichkeit dringen.
»Wie bitte?« Metzger bekam glänzende Augen. »Wir fahren zur Eichbaum-Brauerei? Das ist ja sagenhaft. Ich habe immer eine Kiste Räuberbier im Reisemobil. Nein, Herr Palzki, nicht zur Wunddesinfektion, rein für den Genuss. Ein oder zwei Fläschchen nach jeder Operation, dann fühle ich mich immer gleich viel besser.«
Zum Glück kamen wir in diesem Moment am Ziel an.
Unser Bus hielt in der Lkw-Zufahrt der Brauerei an. Ein Pförtner wies dem Fahrer den Weg und wir fuhren noch ein paar 100 Meter auf dem Betriebsgelände, bevor wir vor einem älteren Gebäude anhielten. Da ich den Weg durch zahlreiche Besuche bei meinem Freund Ferdinand Jäger auswendig kannte, drängte ich mich nach vorne.
»Alles folgt auf mein Kommando!«, brüllte ich nach hinten und nicht einmal KPD widersprach. Die ganze Mannschaft folgte mir in das Gebäude. Eine steile Kellertreppe später standen wir im Bräukeller, dem zentralen Punkt jeder Brauereiführung. Ferdinand Jäger ließ es sich nicht nehmen, jeden Einzelnen mit Handschlag zu begrüßen. Für KPD hatte er eine Überraschung: Er überreichte ihm einen goldfarbenen Flaschenöffner mit Chefgravur.
Voller Stolz, da er als Einziger mit einem Präsent bedacht wurde, bedankte sich unser Vorgesetzter bei Ferdinand und präsentierte uns anschließend eine Stegreifrede, die uns staunen ließ. Schließlich kam er zum Schluss: »Und aus diesen vielen Gründen bin ich eigentlich schon immer dafür gewesen, Näheres über das Grundnahrungsmittel Bier in Erfahrung zu bringen. Vielen Dank, dass Sie mir und meinen Untergebenen die Gelegenheit zu solch einer Fortbildungsmaßnahme geben.«
Ferdinand lächelte mir listig zu und machte Platz für zwei Personen, die erst vor einer knappen Minute in den Bräukeller gekommen waren.
Der schlaksig wirkende Mann trug, warum auch immer, eine Sonnenbrille mit fast bierdeckelgroßen Gläsern und sah dadurch wie eine Heino-Parodie aus. In der Hand hielt er einen prall gefüllten Rucksack, den er offensichtlich wegen des Gewichts auf einem Tisch abstellte. Zusammen mit ihm war eine Frau erschienen, schätzungsweise Mitte 30, deren linkes Bein bis zum Oberschenkel eingegipst war. Mit ihren beiden Gehhilfen war sie in einem atemberaubenden Tempo die Treppe heruntergeeilt.
Der männliche Teil der Neuankömmlinge hob eine Kuhglocke vom Tisch und ließ sie bimmeln. Sofort herrschte Ruhe. Hoffentlich kam unser Chef nicht auf die Idee, so etwas in der Kriminalinspektion einzuführen.
»Erlauben Sie, dass wir uns kurz vorstellen. Mein Name ist Alfred E. Lobhudel, meines Zeichens Pressesprecher der Brauerei. Zusammen mit meiner Kollegin Wanda Costa, sie ist Leiterin der Abteilung Marketing, möchten wir Sie herzlich willkommen heißen. Es kommt nicht allzu häufig vor, dass wir solch eine Polizeianhäufung in unserem Hause haben.« Er lachte und viele von uns stimmten pflichtbewusst mit ein. Hauptsache, es ging bald mit der Führung los.
»Ja, mein Kollege
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