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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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Mörder soll seiner Strafe entgehen! Keiner!« Schäffer atmete so heftig und rasselnd, dass Grau fürchtete, er sei dem Gefühlssturm, der ihn erfasst hatte, nicht gewachsen. Aber allmählich beruhigte er sich und lobte sich selbst für die Genauigkeit seiner Liste, die unzweifelhaft zur Verhaftung der Hannikel-Bande in Graubünden geführt habe. Er warf Grau mit großer Geste den Brief des Churer Kriminaltribunals hin und forderte ihn auf, laut vorzulesen. Grau gehorchte, und nun wurde ihm klar, was geschehen war: Der Graf von Salis aus Zizers, mit einer Jagdgesellschaft unterwegs, hatte auf einer waldigen Anhöhe dichten Rauch bemerkt, der von Vaganten stammen mochte. Er und seine Leute hatten die Stelle mit vorgehaltener Waffe umzingelt. Die sechzehn Männer, die dort lagerten, zusammen mit ein paar Frauen und Kindern, hatten sich ohne Gegenwehr ergeben und waren unter schärfster Bewachung nach Chur ins Gefängnis gebracht worden. Obwohl der Anführer darauf beharrte, Kilian Schmid zu heißen, nahm man aufgrund der Beschreibungen an, es handle sich um Hannikel. Ein anderer musste sein Bruder Wenzel sein, ein dritter wohl Hannikels älterer Sohn Bastardi, einen besonders verstockten Buben hielt man für Dieterle, unter den Frauen nannte sich eine Catharina Bremin, eine andere Urschel. Die Behörden von Chur, stand weiter im Brief, böten dem Lande Württemberg an, die Verhafteten auszuliefern, sofern sie zeitig abgeholt und die Kosten ihrer Unterbringung von Württemberg übernommen würden.
    Ob es denn sicher sei, wagte Grau zu fragen, indem er den letzten Bogen des Briefs mit der Handkante glättete, dass es sich tatsächlich um die inkriminierten Personen handle?
    Mit größter Wahrscheinlichkeit, erwiderte Schäffer. Man werde eben den Mattes oder den Hansjörg mitnehmen, um Hannikel zweifelsfrei zu identifizieren, beide seien ja schon mit ihm herumgezogen, vor ihnen müsse der Schurke sein Theaterspiel aufgeben. Zunächst gehe es aber darum, vom Herzog die Erlaubnis einzuholen, diese weiträumige Überführung zu organisieren. Seine Durchlaucht werde ihm, da sei er sicher, weder Geleitschutz noch den nötigen Reisekredit verweigern, denn Hannikel gefasst zu haben, werde seinen Ruhm in ganz Europa erstrahlen lassen. Beinahe feierlich sprach Schäffer nun, er stand dicht vor Graus Schreibpult, und da Speicheltröpfchen darauf niederregneten, schützte Grau den Brief, indem er beide Hände darüber hielt.
    »Sie, Grau«, sagte Schäffer, um Jovialität bemüht, »Sie werden mir heute bis spät in die Nacht zur Verfügung stehen, das können wir jetzt nicht ändern. Es werden Briefe nach Stuttgart und Chur gehen, wir müssen Pferde, Wagen, Proviant und so fort bestellen. Aber auf Sie wartet eine Belohnung. Sie kommen mit, Grau. In zehn, zwölf Tagen sind wir in Chur, Sie werden Zeuge der Geschehnisse sein!«
    Grau hätte am liebsten den Kopf geschüttelt, eine beinahe zweiwöchige Reise über Stock und Stein, dazu ins schweizerische Gebirge, schien ihm eher eine Strafe als eine Belohnung. Man musste bestimmt lange Strecken zu Fuß zurücklegen. Doch bei allem, was der Oberamtmann anordnete, blieb Graus Kopf so steif auf dem Hals, als wäre er festgeschraubt. Er wusste ja, dass Widerspruch zwecklos war. Er würde sich jedoch, das beschloss er auf der Stelle, dafür einsetzen, dass auch der Amtsdiener Roth mitkam, damit noch ein anderer in Schäffers Nähe wäre, auf den er gegebenenfalls seinen Zorn lenken konnte. Wenn schon Grau sich solchen Strapazen aussetzen musste, dann waren sie dem krummbeinigen Roth ebenso zuzumuten.
    Zufällig traf er den Amtsdiener auf dem Weg zur Toilette, die neben dessen Schlafkammer lag. Er gehe davon aus, sprach er ihn ohne Umschweife an, dass Roth ihn auf der bevorstehenden Reise von gewissen Aufgaben, die mit der Schreiberei nichts zu tun hätten, entlasten werde. Roth, der verschlafen aussah und sich eben umständlich den Rock zuknöpfte, schüttelte bedauernd den Kopf und deutete zuerst auf die Herzgegend, dann aufs Knie. »Ich bleibe hier«, antwortete er, und in seinem Mundwinkel zuckte es leicht. »Mir tut alles weh. Und das Gehen raubt mir jede Kraft.«
    »Ach, darum haben Sie sich also hingelegt«, sagte Grau.
    »Mit Erlaubnis des Herrn Oberamtmanns.« Roth verbeugte sich leicht. »Mit seiner Erlaubnis.« Dann schlurfte er davon und gab sich nicht einmal Mühe, ein wenig zu hinken.
     
    Der Abend zog sich in die Länge. Der Gehilfe Eyt war schon früh, eines angeblichen

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