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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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Wildschweine, sehr viele Füchse und Hasen, auch in Kisten eingesperrte Fasane, Enten, Tauben. Die gefährlichsten Tiere, einen Wolf, zwei Luchse, hielt man in Käfigen gefangen. Zahllose, ebenfalls zur Fron gezwungene Bauern hatten sie, unter der Fuchtel der herzoglichen Forst- und Jägermeister, in den letzten Tagen zusammengetrieben oder in Netzen mühsam herbeischafft. Gegen den See hin gab es eine Öffnung im Zaun, die mit großen Tüchern verhängt war, ähnlich einem riesigen Vorhang, der dann unter Trompetenschall geöffnet würde. Man hörte von dort her alle möglichen Tierlaute, ein vielstimmiges an- und abschwellendes Röhren, Bellen, Grunzen, auf das die angeleinten Hunde der Jägermeister anfallweise mit rasendem Gekläffe antworteten. In Wellen trieb der Wind den scharfen Geruch von Wild und seiner Losung heran. Das alles beschleunigte den Puls des Herzogs auf angenehme Weise. Er brauchte nicht daran zu zweifeln, dass diese Prunk- und Lustjagd für die Gäste zu einem unvergesslichen Ereignis werden würde. Seine zweite Frau, Franziska von Hohenheim, die langjährige Mätresse, mit der er seit ein paar Monaten offiziell verheiratet war, hatte ihm zwar das Versprechen abgerungen, sich zu mäßigen; aber ganz auf das Jagdvergnügen zu verzichten kam nicht in Frage. Immerhin hatte er ihr in zwei, drei Punkten nachgegeben. Anders als noch vor vier Jahren, als er dem russischen Großfürsten Paul Petrowitsch mit einem zehntausendköpfigen Publikum imponieren wollte, waren dieses Mal keine Schaugerüste für die Gaffer aus der Stadt aufgestellt, man würde im Wesentlichen unter sich bleiben. Und wenn dann, spät in der Nacht, die Untertanen von weitem das Feuerwerk bestaunten, sollte ihm das recht sein. Franziska war auch daran gelegen, die Flurschäden zu vermindern, die bei den vorausgehenden Treib- und Hetzjagden entstanden. Bitter hätten sich die Bauern, so warf sie dem Herzog vor, in früheren Jahren über niedergetrampelte Felder beklagt, zudem über allzu ausgedehnte Frondienste und über die Fressschäden durch das Rot- und Schwarzwild, das sie, da es dem Adel vorbehalten war, nicht antasten durften. Das war dem Herzog nicht neu. Die Landstände, die auch die Bauern vertraten, lagen ihm mit ihren Beschwerden ständig in den Ohren. Er hatte seine Jäger oft genug ermahnt, das reife Korn nicht niederzureiten und die Acker zu schonen. Aber er wusste selbst nur zu gut, dass man in der Hitze, im Hochgefühl der Verfolgungsjagd alle Rücksicht fahrenließ. Auch hier war er seiner Frau entgegengekommen: Er hatte die Zahl der zusammengetriebenen Tiere, verglichen mit anderen Malen, auf die Hälfte reduziert. Was wollte sie denn noch mehr? So viele Hindernisse hatte er aus dem Weg geräumt, damit sie zusammenkommen konnten. Irgendwann musste es doch ein Ende haben mit seinen Konzessionen!
    Er wandte sich an den Hofmarschall, der mit aufmerksamer Miene vor ihm stand und sich, wie immer, ein wenig duckte, damit nicht auffiel, dass er um zwei Zoll größer war als der Herzog.
    »Das Podium für die Hofkapelle?«
    »Am befohlenen Ort, Durchlaucht.« Der Hofmarschall wies in die Richtung des Pavillons, den sie nun fast erreicht hatten. »Das Feuerwerk?«
    »Alles eingegraben oder festgenagelt, in sicherer Distanz.«
    Der Herzog nickte. »Gute Arbeit, Herr Baron. Aber achten Sie darauf, dass die Stiefel sämtlicher Lakaien glänzen. Tadellos muss das sein. Wir haben ja zum Glück schönes Wetter. Und schicken Sie noch den Maitre d’Hôtel vorbei. Ich gehe mich jetzt umziehen.«
    Mit einer Verbeugung zog sich der Hofmarschall zurück, ihm folgten stumm und in strenger Ordnung seine sieben Untergebenen. Es war einer der wenigen kostbaren Augenblicke, in denen der Herzog beinahe allein war. Alles Menschliche um ihn herum bewegte sich in angemessener Entfernung. Sehr angenehm. Er schaute zum Himmel hinauf und lächelte beim Anblick der Schäfchenwolken, die eine luftigzarte Herde von reinstem Weiß bildeten. Das hätte seiner Franziska, dem Franzele, gefallen. Schade, dass sie sich entschieden hatte, der Lustbarkeit fernzubleiben. Pulverdampf, Tiergeschrei und Blutgeruch: das alles ertrage sie nicht, hatte sie gesagt. Sein Lächeln wurde breiter und verhärtete sich doch ein wenig.
    In der geräumigen Ankleidekammer des Westflügels mit ihren wandhohen, von Stuckleisten gerahmten Spiegeln lag der frischgebürstete Jagdanzug bereit. Sein erster Kammerherr und der Grand-Maitre de la Garderobe empfingen ihn. Die

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