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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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mit Leutnant Bräunlein die Sicherheit des Quartiers für die Gefangenen zu überprüfen. Es handelte sich um zwei feuchte Gelasse im Keller der Landvogtei, aus denen weiß Gott niemand ausbrechen konnte. Nicht einmal eine Katze hätte sich durch die Oberlichter zu zwängen vermocht; zudem waren die Türen mit Schloss und Riegel zugesperrt und, auf Schäffers ausdrücklichen Befehl, von unsern treuen Sulzer Husaren bewacht. Mich dauerte wieder Dieterle, der sich, wie mir schien, kaum noch auf den Beinen hielt und sich in diesem Loch gleich in den hintersten Winkel zurückzog.
    Weiß der Kuckuck, was mich an diesem Kind, dessen Gesichtsfarbe von Tag zu Tag durchscheinender wurde, derart rührte. Lag es an seiner Haltung, die von tiefster Niedergeschlagenheit sprach? An der Ahnung, dass sich darunter ein hoffnungsloser Zorn verbarg, der auch in mir, lieber Freund, bisweilen glimmt, wenn ich von Unrecht und Dummheit umstellt bin?
     
    Wieder wendete sich das Schicksal. Wir saßen, es war noch hell, beim Landvogt, der den in Wien residierenden Fürsten von Liechtenstein vertrat, da meldete ein Diener, ein Reiter sprenge aus südlicher Richtung heran. Es war der Postmeister von Balzers, der Letzte einer Stafette, die in Ragaz begonnen hatte, und er überbrachte im Auftrag des Grafen von Salis die erlösende Nachricht, Hannikel sei gefasst worden. Er werde, da dies auf dem Boden der Gemeinen Herrschaft geschehen sei, im Schloss Sargans verwahrt, eine württembergische Delegation solle ihn dort abholen. Um ein Haar, ich sah es genau, hätte Schäffer wieder einen seiner Freudentänze vollführt. Er zugehe indessen die Triumphgefühle, gab sich überaus staatsmännisch, er lobte die Tüchtigkeit der Häscher, die den Flüchtling aufgespürt hatten, und pries den Umstand, dass man nun grenzübergreifend der Justiz Nachachtung verschaffen könne. Am liebsten wäre Schäffer selbst nach Sargans gefahren, um Hannikel in Empfang zu nehmen. Doch Repräsentationsgründe, sagte er zu mir, hielten ihn in Vaduz fest; ich, der Schreiber Grau, solle als sein Stellvertreter, versehen mit den nötigen Papieren, diese Aufgabe übernehmen. Er gebe mir eine Anzahl Ketten, einen Wagen und sechs Soldaten mit, das werde genügen, um Hannikel im Zaum zu halten, übermenschliche Kräfte seien ihm trotz allem nicht zuzutrauen. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Leutnant Bräunlein, führte ich ins Feld, eigne sich weit besser für eine solche Überführung als meine Wenigkeit, oder allenfalls könne man doch bis morgen warten. Nein!, donnerte es mir von Schäffer entgegen. Erstens traue er den Sargansern nicht, zweitens wolle er Hannikel noch diese Nacht in seiner persönlichen Obhut wissen, und drittens sei ich der richtige Mann, weil sicherlich allerlei Schriftstücke abzuzeichnen wären und der Leutnant anderswo benötigt werde. Es gab keinen Pardon, ich musste gleich aufbrechen.
    Es war ein merkwürdiger Tross, der sich in der Dämmerung, auf schlechten Wegen und teils durch dichten Auenwald, flussaufwärts bewegte. Mir war ein Einspänner samt Kutscher ausgeliehen worden, in dem ich frierend und voller Bedenken saß. An meiner Seite oder vor mir ritten die mir zugeteilten Husaren, von denen die vordersten zwei eine Laterne trugen, und hinter uns her rumpelte, von einem Pferd gezogen, der vergitterte Gefangenenwagen, in dem lediglich ein paar Ketten lärmend hin und her rutschten. Wir passierten eine Zollstation, überquerten nach gut anderthalb Stunden bei Balzers den Rhein und hielten auf die Lichter von Sargans zu, über denen trotz der mondlosen Düsternis die Silhouette der imposanten Festung zu erahnen war. Wir fuhren den Schlossweg hinauf zum bewachten Portal, ich ließ mich, durchnässt, wie ich war, beim Landvogt von Mohr melden und wurde nach langem Warten, es hatte eben neun Uhr geschlagen, vorgelassen. Der Landvogt benahm sich, inmitten schwerer Möbel und vor gobelinbehangenen Wänden, so hochfahrend, dass ich beinahe erstickte vor Zorn. Selbstverständlich blieb ich höflich und devot, das macht die lange Übung. Ich wies das Schriftstück mit Schäffers Order vor, mir den Gefangenen zu übergeben, ich erwähnte den Begleitschutz und die Ketten, die ich mitgebracht hatte. Der Landvogt indessen, ein korpulenter Mann, der sein Kinn bei jedem Satz hochreckte, gab zurück, auf zusätzliche Ketten könne er verzichten, der eingefangene und gefesselte Verbrecher sitze im Verlies, und zwar mit zwei Wächtern, die sich mit Stricken an

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