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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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hatten und also auch Menschen hausen mussten. Ich stolperte halb blind voran, da sah ich im Schnee, zwischen Steinen, einen Falter liegen. Ich blieb stehen, ließ die anderen, von denen sich keiner um mich kümmerte, weiterziehen, kauerte nieder und schaute mir den späten Sommerboten an. Noch einmal war er ausgeflogen, dachte ich mir, dann hatte ihn der viel zu frühe Kälteeinbruch vom Himmel geholt, er war tot und hatte die beiden violettroten, seidigen Flügel ausgebreitet. Drei weiße Augenflecken auf den Vorderflügeln, ins Orangerote spielende Seitenbänder. Wie schön war er! Wie schön ist er noch immer! Sie werden sich dessen vergewissern können, denn ich habe ihn sorgsam in das Schächtelchen gelegt, das ich stets in meiner Rocktasche bei mir trage und in welchem bereits einige Bienen und Wespen lagen. Inzwischen habe ich den Falter, eine bisher unbekannte Art aus der Familie der Nymphalidae, präpariert. Ich werde ihn nach Kiel schicken und schlage vor, ihn angesichts der weißen Augen auf dunklem Grund Schneemohrenfalter zu nennen. Dieser Fund weckte meine Lebensgeister, und ich beeilte mich, den Suchtrupp einzuholen, der dann doch weiter vorne missmutig auf mich wartete. Lange noch suchten wir weiter, und regelmäßig tastete ich nach dem Schächtelchen in der Rocktasche, denn mit dem Falter hatte der Tag zumindest für mich einen Erfolg gebracht.
    Volle drei Stunden habe ich geschrieben, nun muss ich hinaus.
     
    Ich fahre fort. Es war schon Abend, als wir, mehr tot als lebendig, wieder Chur erreichten. Ich hörte, dass von allen Seiten die Streifen ohne Hannikel zurückgekommen seien, und hatte gerade noch Zeit, meine Füße einzubinden, ehe mich Schäffer zu sich rief. Ich musste ihm knappen Bericht erstatten. Er selbst, sagte er, sei auch losgeritten und hätte es ebenso gut sein lassen können, Hannikel verstecke sich tagsüber wohl in einer Kluft und werde nur nachts weiterwandern. Auch der Graf von Salis sei ergrimmt über die Flucht, morgen werde er sich der Suche mit achtzig Männern anschließen. Wir aber, die Württembergischen, würden bei Tagesanbruch, bedauerlicherweise ohne Hannikel, dafür mit den übrigen Inhaftierten, die Rückreise antreten, es bleibe uns nichts anderes übrig. Die Kostenfrage sei inzwischen geregelt, die Stadtbehörden hätten aus schlechtem Gewissen erneut einen Rabatt gewährt. Schäffer sprach ungewöhnlich leise, ein ganz anderer Mann saß da als der hochfahrende vom frühen Morgen. Ich strich sein Pflichtbewusstsein und das aller Beteiligten heraus, wir hätten doch getan, was möglich sei. Er nickte, bat - bat! - mich zum Diktat. Einiges war noch zu schreiben, was meine klammen Finger kaum noch schafften, dann aß und trank ich eine Kleinigkeit, wusch mich notdürftig, sank danach ins Bett, und ich kann Ihnen versichern, mein lieber Freund, dass das Schnarchen des langen Leutnants mich dieses Mal nicht störte.
    Wir wurden früh aus den Federn geholt, viel zu früh für meinen Geschmack. Ich sah zu, als Hannikels Sippe zu den zwei bereitstehenden Wagen gebracht wurde. Man hatte sie alle gefesselt, besonders die Weiber beklagten sich darüber. Schäffer gewährte keinen Pardon, auch die Kinder hatten die Hände auf den Rücken gebunden, und Dieterle wurde behandelt wie ein ausgewachsener Mann. Ich suchte seinen Blick, als er an mir vorüberging, doch er beachtete mich nicht, schien auch sonst blind und taub gegenüber allem. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den übelriechenden Gefangenen erlaubt, sich an einem Brunnen zu waschen, doch auch dies untersagte Schäffer. Wir wurden verabschiedet wie Helden, die Stadtwache salutierte, etliche wohlgepuderte Herren, darunter der kurzbeinige Bawier, umarmten Schäffer unter Bekundungen wärmster Freundschaft. Doch ihm war nicht danach zumute; ohne viel Worte gab er das Zeichen zur Abfahrt, und obwohl ich ihm dieses Mal im Coupe gegenübersaß, ignorierte er mich völlig, ebenso wie den ohnehin schweigsamen Hatschier Hilzinger neben mir.
    Es standen jetzt schon viele Leute am Straßenrand, die auf den Transport gewartet hatten und einen Blick auf die Gefangenen erhaschen wollten. Das verdross Schäffer, er hätte ihnen allzu gerne den leibhaftigen Räuberhauptmann vorgeführt. In seinem Stupor glich er einem verlassenen Liebhaber, der die Entronnene um jeden Preis zurückbegehrt und doch nichts anderes will, als sie dem Henker zu übergeben.
    Recht früh trafen wir in Vaduz ein. Ich hatte den Auftrag, zusammen

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