RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Ana María lebt in einer Welt, in der hochkarätige Tennisturniere und die Werbe- und Medienverpflichtungen, die mit Rafas Spitzenposition in der Weltrangliste einhergehen, nur eine Nebenrolle spielen. Mit ihrem Sohn spricht sie kaum über seinen Beruf, nicht weil sie kein Interesse daran hat, sondern weil sie weiß, dass es am besten für ihn ist, wenn sie so mit ihm umgeht, wie jede andere Mutter es mit ihrem Sohn tun würde. Sie erstarrt nicht in Ehrfurcht vor seinen Leistungen auf dem Tennisplatz, sondern behandelt ihn mit der ungezwungenen Zärtlichkeit und Liebe der Mutter, die ihn zur Welt gebracht und aufgezogen hat. Sie ist sein Gegenmittel gegen Lobhudelei aller Art, erdet ihn und erinnert ihn daran, wer er wirklich ist.
»Aber jetzt, wo ich sehe, dass ihm der Ruhm nicht zu Kopf gestiegen ist und nie zu Kopf steigen wird, ist es das Wichtigste, dass er Ruhe findet, wenn er zu Hause ist«, erklärt Ana María. »Er braucht Ruhe, weil das etwas ist, was er unterwegs auf der Tour schlichtweg nicht findet, aber auch weil er so ist, wie er ist, ganz abgesehen von dem Irrsinn, der sein Leben umgibt. Ihm ging es schon immer schlecht, wenn die Leute in seiner Umgebung wütend oder schlecht gelaunt waren, denn dann wird er auch wütend oder schlecht gelaunt. Er ist emotional darauf angewiesen, dass um ihn herum alles völlig in Ordnung ist.
Darum sehe ich es, wie jede Mutter, als meine Pflicht an, wenn wir zusammen sind, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um dafür zu sorgen, dass es ihm gut geht und er glücklich ist, und ihm zu helfen, wenn es ihm nicht gut geht. Und ihm zu helfen – zum Beispiel wenn er verletzt ist – heißt oft, nichts zu sagen und nur klar zu machen, dass ich unter allen Umständen für ihn da bin. Es bedeutet, dass er sich zu Hause wohl fühlen kann, dass er seine Freunde einladen kann, wann er will, ohne dass ich Ansprüche an ihn stelle. Und wenn er möchte, dass ich ihn irgendwohin fahre, ihm etwas zu essen besorge, worauf er Lust hat, oder vor einer langen Reise seinen Koffer packe – wenn er das allein macht, ist es übrigens eine Katastrophe –, dann tue ich es gern.«
Ana Marías Wohnzimmer ist Treffpunkt für Rafas Freunde, wenn er zu Hause ist. Zu seinen besten Freunden gehört seine fünf Jahre jüngere Schwester Maribel, die immer dabei ist, wenn er abends ausgeht oder zum Angeln fährt. Er hängt sehr an ihr und vermisst sie, wenn er fort ist, obwohl sie telefonisch und über das Internet ständig in Kontakt bleiben. Maribel weiß, dass ihr Bruder und sie sich ungewöhnlich nahestehen, und erzählt, dass bei vielen ihrer Freunde die Beziehung zu ihren jüngeren Geschwistern eher von Reibereien und Nichtbeachtung geprägt ist. »Die meisten Jungen finden ihre jüngeren Schwestern lästig, besonders wenn sie Teenager sind. Aber Rafael hat mich nie so behandelt. Er hat mich immer gedrängt mitzukommen, wenn er mit seinen Freunden ausging. Für uns ist das ganz selbstverständlich, auch wenn andere das manchmal seltsam finden. Es gehört zum Geheimnis unserer besonderen Bindung.«
Nach Ana Marías Ansicht ist ein weiterer Grund für die enge Beziehung ihrer beiden Kinder, dass sie so oft voneinander getrennt waren, da Rafael schon in jungen Jahren viel unterwegs war, um die Tenniswelt zu erobern. Bruder und Schwester sehen den anderen nicht als selbstverständlich und haben durch die häufige Trennung eine engere Bindung entwickelt, meint ihre Mutter. Das wäre vielleicht anders, wenn Maribel sich den Ruhm ihres Bruders hätte zu Kopf steigen lassen. Aber sie ist dem Vorbild ihrer Mutter gefolgt: »Wenn überhaupt, dann war sie noch diskreter als ich«, sagt Ana María und erzählt, dass es über zwei Jahre dauerte, bis jemand außerhalb ihres engsten Freundskreises in Barcelona, wo Maribel Sportpädagogik studiert, erfuhr, wer ihr Bruder war. »Es sprach sich erst herum, als einer ihrer Dozenten sie bei einem von Rafaels Tennismatchs in Paris im Fernsehen sah.«
María Francisca hatte größere Mühe, ihre Anonymität zu wahren. Das lag weniger an ihrem seltenen Erscheinen bei Tennisturnieren (das erste Grand-Slam-Finale Rafaels, das sie sich vor Ort anschaute, war in Wimbledon 2010), sondern an den Paparazzi, die der Verlockung nicht widerstehen konnten, sie und Rafa in ihrem Urlaub gemeinsam zu fotografieren, vorzugsweise am Strand. Sie hat ihr Bild häufiger in Klatschmagazinen gesehen, als sie zählen mag. Aber nie gibt es wörtliche Zitate von ihr. Ein spanischer
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