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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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Jordi »Tuts« Robert. © Jordi Roberts
Titín, Tuts, ich, Carlos Costa und Toni (von links nach rechts) im Park von Schloss Versailles vor den French Open 2008. © Jordi Roberts
Ich, Joan Forcades und Carlos Moyá (damals in den Top Ten der Weltrangliste) 2005 in Acapulco, auf dem Weg zu meinem ersten Grand-Slam-Sieg bei den French Open. © Joan Forcades
     
Benito Pérez, Titín, Tuts und ich in dem gemieteten Haus in Wimbledon, Juni 2010. © Jordi Roberts
Ich mit meiner Freundin María Francisca Perelló beim offiziellen Dinner zur Feier meines Wimbledon-Sieges 2010. © Bob Martin/AELTC

DER
    VERHINDERTE
    FUSSBALLSTAR
     
     
    KAPITEL 3
    Federer schlug auf und gewann das erste Spiel des zweiten Satzes ohne Punktverlust. Hätte es nach dem Gewinn des ersten Satzes im hintersten Winkel meines Kopfes auch nur den kleinsten Anflug von Selbstgefälligkeit gegeben, wäre er damit zunichte gemacht worden. Mit seiner täuschenden Leichtigkeit donnerte er vier gute Aufschläge heraus, auf die ich keinerlei Antwort hatte. Spätestens jetzt war klar, dass es keine Wiederholung des French-Open-Finales geben würde, bei dem er insgesamt nur vier Spiele gewonnen und ich den letzten Satz mit 6:0 geholt hatte. Er kämpfte verbissen. Sollte er an diesem Tag gewinnen, würde er zum sechsten Mal in Folge den Wimbledon-Titel holen, eine Meisterleistung, die noch niemandem gelungen war. Er hatte bereits so viel gewonnen und dominierte den Tennissport schon so lange, dass ein Teil von ihm »für die Geschichte« spielte, wie er einmal sagte. Dieses Match zu gewinnen bedeutete ihm ebenso viel wie mir; eine Niederlage hätten wir beide als gleich schmerzlich empfunden.
    Beim zweiten Spiel, bei dem ich den Aufschlag hatte, war er aggressiver, als ich ihn je erlebt hatte. Normalerweise war er auf dem Platz gelassener als ich, aber nun gewann er die ersten beiden Punkte mit sensationellen Vorhandbällen an der Linie entlang beziehungsweise diagonal über den Platz und reagierte bei jedem mit einem wütenden Schrei. Er schaffte das Break, gewann das Spiel und putzte mich einfach weg. Wenn Federer diese brillanten Phasen hat, kann man nur versuchen, ruhig zu bleiben und abzuwarten, bis der Sturm vorüberzieht. Wenn der beste Tennisspieler der Geschichte den Ball so groß sieht wie einen Fußball und ihn mit Kraft, Selbstvertrauen und Treffgenauigkeit schlägt, kann man nicht viel tun. Das passiert, darauf muss man sich einstellen. Man darf sich nicht demoralisieren lassen, sondern muss sich in Erinnerung rufen – oder einreden –, dass er unmöglich ein Spiel nach dem anderen auf diesem Niveau halten kann, dass auch er nur ein Mensch ist – wie Toni meint, mich immer wieder erinnern zu müssen – und dass seine Hochphase früher oder später enden muss, wenn man nur einen kühlen Kopf bewahrt, an seiner Spielstrategie festhält und weiter versucht, ihn müde zu machen. Seine intensive mentale Fokussierung wird nachlassen, und dann bekommst man seine Chance. Dieses Mal sollte diese Wende allerdings eher später als früher eintreten. Er gewann erneut mühelos seinen Aufschlag. Ich schaffte es knapp, meinen Aufschlag durchzubringen, und wieder gewann er den seinen. Innerhalb von gefühlten fünf Minuten Spielzeit, wie es mir vorkam, führte er 4:1. Mein gewonnener erster Satz schien lange, lange zurückzuliegen.
    Aber ich hatte eine lange, lange Anzahl von Matchs hinter mir, in denen ich schlimmere Rückstände aufgeholt hatte. Ich besaß genügend Erfahrung, damit umzugehen. Es gibt zwar nichts Größeres als ein Wimbledonfinale, aber die Nervosität, die man während eines Matchs, irgendeines beliebigen Matchs, verspüren kann, hat ebenso ihre Grenzen wie die Bedeutung, die ein Sieg haben kann. Die Spannung und Euphorie sind ebenso groß, ob man nun als Kind ein Fußballspiel bestreitet, wenn die Träume nicht über den Balearen-Pokal im Juniorenfußball hinausreichen, oder im Tennis die spanische U12-Meisterschaft gewinnt. Das habe ich nie vergessen. An dem Abend, als ich mit elf Jahren dieses Turnier gewonnen hatte, waren wir alle sehr glücklich, aber wie üblich verdarb Toni die Feier, weil er seinen Drang, mich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, nicht zurückhalten konnte. Er rief beim spanischen Tennisverband an, gab sich als Journalist aus und fragte nach der Liste der letzten 25 Titelgewinner. Im Beisein meiner übrigen Familie las er die Namen vor und fragte mich, ob ich jemals von einem von ihnen gehört hätte.

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