RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
dritte Runde. Die Association of Tennis Professionals (ATP) wählte mich 2003 zum »Newcomer des Jahres«. Damals war ich ein wahnsinnig hyperaktiver Teenager, der es eilig hatte und im Training wie auch in Wettkämpfen auf Hochtouren lief.
Aber 2004 sagte mein Körper: »Es reicht!« Ein winziger Knochenriss im linken Fuß stoppte meinen Lauf abrupt und ich musste von Mitte April bis Ende Juli mit dem Spielen pausieren: kein Roland Garros, kein Wimbledon. Auf der Weltrangliste stand ich mittlerweile auf Platz 35, und nach einer solchen Zwangspause – der ersten Verletzungspause meiner Karriere, der allerdings noch weitere folgen sollten – wieder zurückzukommen und meinen Rhythmus zu finden, war nicht leicht. Damals empfand ich es als grausam, aber langfristig betrachtet, war es vielleicht gar nicht so schlecht. Denn die körperliche Anfälligkeit machte mich mental stärker. Vielleicht brauchte auch mein Kopf eine Ruhepause. Die Umsicht und Unterstützung meiner Familie und Tonis Training, auch widrige Umstände auszuhalten, führten dazu, dass ich nicht verzweifelte, sondern mir noch klarer wurde, dass ich gewinnen wollte, und fest entschlossen war, alles Erforderliche dafür zu tun.
Diese Zeit ermöglichte es mir, eine Erkenntnis zu verinnerlichen, die sich alle Spitzensportler und Sportlerinnen zu eigen machen sollten: Wir haben enorme Privilegien und Glück, bezahlen dafür aber den Preis, dass unsere Karriere in einem sehr jungen Alter endet. Schlimmer noch: Eine Verletzung kann unser Fortkommen jederzeit vereiteln und uns von einer Woche zur nächsten zum vorzeitigen Karriereende zwingen. Das heißt erstens, dass man das, was man tut, genießen sollte, und zweitens, dass sich Chancen nicht unbedingt ein zweites Mal bieten und man jede bestmöglich nutzen sollte, so als wäre es die letzte. Diese Botschaft hatte Toni mir schon immer mit Worten zu vermitteln versucht, aber während ich mich nun ungeduldig von meiner Verletzung erholte, spürte ich sie am eigenen Leib. Je mehr Jahre vergehen, umso lauter hört man die Uhr ticken. Mir ist klar, dass ich mich sehr glücklich schätzen kann, wenn ich mit 29 oder 30 Jahren noch in der Weltspitze spielen kann. Meine erste schwerere Verletzung machte mir bereits in jungen Jahren bewusst, wie schnell die Zeit für einen Profisportler vergeht. Diese Lehre war überaus hilfreich für mich. Ich wurde schnell zu einem »alten jungen Spieler«, wie mein Freund Toméu Salva sagt. Ich weiß das, was ich habe, sehr zu schätzen und versuche bei jedem Ballwechsel, den ich spiele, danach zu handeln.
Natürlich funktioniert es nicht immer. Kaum einen Monat nach meiner Verletzungspause im Jahr 2004 musste ich in der zweiten Runde der US Open in New York gegen Andy Roddick antreten. Er hatte im Vorjahr die US Open gewonnen, war breitschultrig und gut. An jenem Tag ein bisschen zu breitschultrig und gut für mich. Die Begegnung holte mich abrupt wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und brachte mir in Erinnerung, dass ich trotz aller meiner Erfolge noch ein Heranwachsender war. Roddick war damals wesentlich kräftiger als ich, stand hinter Federer auf Platz zwei der Weltrangliste und hatte im Vorjahr Platz eins belegt. Ich musste auf dem schnellen Bodenbelag von Flushing Meadows gegen ihn spielen, mit dem ich noch nicht gut zurechtkam. Auf seinen enormen Aufschlag hatte ich keine Antwort und bezog mehr Prügel, als das Ergebnis von 0:6, 3:6, 4:6 erkennen ließ.
Noch im selben Jahr bekam ich jedoch die Chance zu einer Revanche für diese Schlappe.
Das Highlight des Jahres 2004 war mein Einsatz für Spanien im Daviscup, der im Tennis mit der Fußballweltmeisterschaft vergleichbar ist. Mein Debüt hatte ich mit 17 Jahren gegen die Tschechische Republik gegeben und mich auf Anhieb in diesen Wettbewerb verliebt. Zum einen bin ich stolz, Spanier zu sein, was nicht so banal ist, wie es klingen mag, weil viele Spanier sehr zwiespältig gegenüber ihrer nationalen Identität sind und sich stärker ihrer Region verbunden fühlen. Meine Heimat ist Mallorca und wird es immer sein – ich bezweifle stark, dass ich je von dort weggehen werde –, aber Spanien ist mein Heimatland. Mein Vater empfindet ebenso wie ich. Ein Beleg dafür ist, dass wir beide leidenschaftliche Fans von Real Madrid, dem großen Fußballclub der spanischen Hauptstadt sind. Zum anderen mag ich den Daviscup, weil er mich etwas von dem Mannschaftsgeist erleben lässt, den ich verloren glaubte, als ich mit zwölf
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