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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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damit, dass wir das Doppel verlieren und damit einen der möglichen fünf Punkte an die Amerikaner abgeben würden und sehr viel davon abhinge, ob Carlos Moyá, unsere Nummer eins, seine beiden Einzel gewänne. Mardy Fish, die Nummer zwei der Amerikaner, konnte er durchaus schlagen; aber ein Sieg über Roddick war alles andere als ausgemacht. Unser Vorteil war, dass wir auf Sand, unserem Lieblingsbelag, spielten, den Roddick nicht gerade bevorzugte. Aber er war ein hervorragender Kämpfer, ein energiegeladener Amerikaner und stand auf Platz zwei der Weltrangliste, während Carlos damals Platz fünf belegte. Die Wetten setzten auf Carlos, der vor seinen Fans spielen würde, aber es war keineswegs eine sichere Sache. Juan Carlos Ferrero stand auf Platz 25 der Weltrangliste (nachdem er durch Verletzungen in diesem Jahr dorthin abgerutscht war, denn eigentlich war er besser) und sollte Fish schlagen können, aber gegen Roddick standen die Chancen 50:50. Kritisch waren also unsere beiden Spiele gegen Roddick, denn bei Fish waren wir überzeugt, ihn zweimal besiegen zu können.
    So sah zumindest die Theorie aus, die logischen Überlegungen. Aber was wäre, wenn Fish eines seiner Matchs gewinnen sollte? Das wäre durchaus nicht die größte Überraschung der Tennisgeschichte. Wir alle hatten schon überraschende Niederlagen erlebt (Carlos hatte in diesem Jahr bereits einmal gegen mich verloren, konnte also durchaus auch gegen Roddick verlieren) und waren weit von jedweder Selbstgefälligkeit entfernt. Wir waren uns alle einig, dass unser erstes Match am ersten Tag gegen Roddick, bei dem unsere Nummer zwei gegen ihre Nummer eins antrat, ungeheuer wichtig war. Wenn wir dieses Match gewännen und Carlos gegen Fish siegte, brauchten wir uns keine Gedanken machen, ob es Tommy und mir gelingen würde, einen Überraschungssieg im Doppel zu erzielen, sondern müssten am dritten und letzten Tag nur noch eines der beiden Einzel gewinnen. Da der Druck für Carlos dann geringer wäre, hätte er schlagartig bessere Chancen, in der Begegnung der beiden Nummer-eins-Spieler Roddick zu schlagen. Und selbst wenn Carlos verlieren sollte, würde für Fish der Druck durch das Wissen darüber steigen, dass durch eine Niederlage von ihm der Daviscup für die USA verloren wäre, was wiederum ein wesentlicher Vorteil für uns wäre.
    Nach unserer Einschätzung am Tag vor Beginn des Finales war das wichtigste Spiel das Match zwischen unserer Nummer zwei und Roddick. Wir gingen davon aus, dass unser zweiter Einzelspieler Juan Carlos Ferrero sein sollte, der French-Open-Gewinner und US-Open-Finalist des Jahres 2003. Aber nicht er trat als unsere Nummer zwei an, sondern ich, gleich am ersten Tag gegen Roddick. Ferrero war nicht etwa verletzt, sondern unsere Teamchefs entschieden, dass ich an seiner Stelle spielen sollte. Statt also von der Seitenlinie aus zuzuschauen und meine Mannschaftskameraden nach Kräften anzufeuern, sollte ich plötzlich im Mittelpunkt stehen. Die Kühnheit oder Tollkühnheit (wie manche fanden) unserer Teamchefs kam für mich völlig überraschend und überrumpelte mich. Juan Carlos hatte Platz eins in der Weltrangliste erreicht, während ich noch nie über den 50. Platz hinausgekommen war. Zudem rangierte mein Doppelpartner Tommy Robredo auf Platz 13. Eigentlich hätte es sich von selbst verstanden, Tommy aufzustellen, wenn Juan Carlos nicht spielte. Ich war das Küken in der Mannschaft, nach Ansicht vieler innerhalb und außerhalb des Teams kaum mehr als ein Cheerleader in diesem Daviscup-Finale gegen die Vereinigten Staaten von Amerika, das eine Sache für Erwachsene war.
    Trotz aller Kameradschaft ist Tennis ein Individualsport, und wir alle sehnen uns nach der Chance zu spielen. Niemand hätte mir geglaubt, wenn ich behauptet hätte, ich würde lieber nicht antreten. Den Druck und die Verantwortung fand ich eher aufregend als beängstigend. Wenn ich den Drang verspürt hätte wegzulaufen, hätte ich den Profitennissport ebenso gut gleich aufgeben können. Nein, das war die größte Chance meines bisherigen Lebens, und die Aussicht auf das Match raubte mir schier den Atem vor Begeisterung. Andererseits fühlte ich mich unbehaglich und kleinlaut. Ich war jung und unverfroren genug, um überzeugt zu sein, dass ich Roddick schlagen könnte, aber ich war nicht so unsensibel, dass ich es nicht als Verstoß gegen die eherne Regel empfand, mich gegen ihn antreten zu lassen. Meine Familie hatte mir Achtung vor Älteren beigebracht,

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