RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Wettlauf gegen die Zeit ist.
Ich war schneller wieder in Form, als ich für möglich gehalten hatte, schaffte es in Marseille bis ins Halbfinale und gewann mein nächstes Turnier in Dubai. Dort schlug ich Federer im Finale auf einem Hartplatz, also auf dem Belag, der meinen Fuß am stärksten strapaziert. Für mein Selbstvertrauen bedeutete es einen enormen Schub, denn ich wusste nun, dass ich wieder da war. Eine merkwürdige und ermutigende Feststellung war, dass mein Fuß im Training erheblich mehr schmerzte als während eines Turniers. Titín, auf dessen Urteil ich in praktisch allen Dingen vertraue, hatte eine Erklärung dafür. Nach seiner Ansicht lag es einerseits am Adrenalin und den Endorphinen, die der Körper während eines Matchs ausschüttete und die als natürliche Schmerzmittel wirkten, andererseits aber auch an meiner völligen Konzentration während des Matchs, die mich so weit von der physischen Welt entrückte, dass ich Unangenehmes weniger wahrnahm, auch wenn es vorhanden war.
Eine Veränderung, die wir nach meiner Verletzungspause vornahmen, war, das Training zu reduzieren. Mein Fitnesstrainer, Joan Forcades, war nie ein Verfechter von Langstreckenläufen, wie andere Tennisspieler sie meines Wissens machen. Wenn wir liefen, dann nie länger als eine halbe Stunde. Nun verzichteten wir ganz auf das Laufen. In Anbetracht der Tatsache, dass ich normalerweise etwa 90 Matchs im Jahr bestritt, genügte das an sich schon als Aerobictraining. Als unmittelbare Reaktion auf meinen anfälligen Fuß reduzierten wir zudem meine gesamten Trainingszeiten auf dem Tennisplatz wie auch im Fitnessstudio. Vor meiner Verletzung hatte ich bis zum Alter von 18 Jahren täglich fünf Stunden und länger trainiert; heute sind es dreieinhalb Stunden, die ich zudem weniger intensiv gestalte als früher. Ich trainiere nicht mehr über zwei Stunden bei voller Leistung, sondern spiele 45 Minuten hundertprozentig und arbeite an speziellen Aspekten wie Volley oder Aufschlag.
Ich werde nie aufhören, als Spieler um jeden Ball zu kämpfen. Defensive und Konter prägen weiterhin meinen Stil. Aber wenn ich mir etwa Videos meines Matchs im Daviscup-Finale von 2004 gegen Andy Roddick ansehe, fällt mir eine kämpferische Dynamik auf, die in meinem Spiel heute nicht mehr so häufig zu finden ist. Ich bin gemäßigter, sparsamer in meinen Bewegungen und habe an der Verbesserung meines Aufschlags gearbeitet. Er ist noch immer nicht meine Stärke und bleibt deutlich schwächer als der von Federer und vieler anderer Spieler. Aber ich habe vor meiner Rückkehr in den Tennisbetrieb im Februar 2006 gezielt daran gearbeitet und die Geschwindigkeit erheblich erhöht, wie Toni mir bestätigt. Vor meiner Verletzung hatten meine Aufschläge eine Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern, in Marseille erreichten sie regelmäßig über 200 Stundenkilometer.
Der schnellere Aufschlag hätte mir in zwei wichtigen Turnieren helfen sollen, an denen ich regelmäßig Anfang des Jahres in den USA teilnehme, Indian Wells und Miami, aber wieder einmal schied ich bei beiden aus. In Miami scheiterte ich schon in der ersten Runde an meinem alten Freund Carlos Moyá. Gefälligkeiten gab es keine, doch umgekehrt war ich bei unserer Begegnung drei Jahre zuvor in Hamburg mit ihm auch nicht gerade sanft umgegangen.
Anschließend ging es wieder ans Mittelmeer. In diesem Jahr wieder nach Monte Carlo zu kommen war wie eine Heimkehr. Ich spielte wieder auf Sand und an dem Ort, an dem ich mein erstes ATP-Turnier gewonnen hatte. Wieder traf ich im Endspiel auf Federer und gewann erneut. Als Nächstes traf ich im Finale von Rom auf ihn. Es war ein Killermatch, ein echter Test, ob ich mich von meiner Verletzung erholt hatte. Ich hatte mich erholt. Das Match ging über fünf Sätze und dauerte fünf Stunden. Ich wehrte zwei Matchbälle ab und gewann. Schließlich kam das Roland-Garros-Turnier und mit ihm eine Chance, an die ich vier Monate zuvor niemals geglaubt hätte: die Chance, meinen French-Open-Titel zu verteidigen. Mir bedeutete es mehr, hier wieder anzutreten, als mir die Teilnahme im Vorjahr bedeutet hatte, obwohl es damals mein erster Auftritt in Paris war. Dieses Turnier zu gewinnen würde für mich und meine Familie bedeuten, dass der Albtraum, den wir durchgemacht hatten, zwar nicht vergessen, aber doch überwunden war und wir klar und zuversichtlich den Weg zum Erfolg weiterverfolgen könnten, der beinahe ein endgültiges Ende genommen hatte. Außerdem musste
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