Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
stellten sich auf. In den Augen des Elfen lag Neugier. Nadja fühlte sich wie das Versuchsobjekt eines wahnsinnigen Wissenschaftlers.
Nicht zu fassen! Ich halte ihm einen Vortrag darüber, sich mit seinen Elfenzaubern zurückzunehmen, und er versucht mich zu beeinflussen!
»Du kannst jetzt wieder gehen, Torio«, sagte sie brüsk. »Auf Spielereien dieser Art stehe ich überhaupt nicht.«
Torio sah sie mit großen Augen an. »Du widerstehst meinem Zauber? Kein Mensch kann das! Ich war ein Falkenbruder und früher schon in der Welt der Menschen. Ich ...« Er brach ab. »Nun, in gewisser Weise bist du kein Mensch, nicht wahr? Du bist sozusagen eine Halbelfe.«
Nadja war froh, dass niemand in diesem Raum sie verstand. »Torio, lass das sein und versuche es nie wieder! Wenn du mir nicht helfen kannst, halte mich wenigstens nicht auf.«
In den Augen des Elfen lag zum ersten Mal Respekt. Er verschränkte seine Arme vor dem anthrazitfarbenen Hemd. »Einverstanden.« Mit einem Kopfnicken ließ er Nadja wieder mit ihren Recherchen allein.
Seufzend ging sie an die Stehbar des Ladens und bestellte einen großen Kaffee und eine Brezel. Nachdem sie beides verzehrt hatte, machte sie sich wieder an die Arbeit. Sie wühlte sich durch die Seiten, bis ihre Augen schmerzten. Erst als der Besitzer des Ladens sie höflich hinauswinkte, stand Nadja auf und ging hinüber in den Spielebereich. Chiyo war gerade dabei, ein Autorennen zu gewinnen. Sie saß auf einem festgeschraubten Sitz, der mit einem Gaspedal, einer Bremse und einer Kupplung verbunden war, und hielt ein nachgebildetes Lenkrad umklammert. Auf dem großen Flachbildschirm nahm sie eine rasante Kurve. Mit ihren Elfenreflexen schien die Bedienung der Spielstation kinderleicht zu sein.
»Ich würde gerne gehen«, teilte Nadja ihren Begleitern mit.
Die Prinzessin fuhr die Runde noch zu Ende. Aufgeregt hielt sie der jungen Frau dann mehrere Yen-Scheine unter die Nase. »Wir haben gewettet!« Strahlend wies Chiyo auf die Gruppe der jungen männlichen Japaner, die verlegen zur Seite sahen.
»Glückwunsch. Hoffentlich hast du sie nicht zu sehr ausgenommen.«
Die Prinzessin kicherte. Torio stand neben der einzigen Frau der Runde, einer jungen Japanerin, kaum älter als achtzehn.
»Komm mit, oder ich muss dich wieder am Ohr ziehen«, sagte Nadja wütend.
Der Elf verabschiedete sich wortreich von der jungen Frau und trottete missmutig hinter Nadja her. Kurz nachdem sie den Laden verlassen hatten, begannen Chiyo und er heftig über die Frau zu streiten.
Sie sind schlimmer als David und ich früher
. Nadja schüttelte den Kopf.
Dabei können sie doch gar nicht lieben. Ob Chiyo in Torio ihren Besitz sieht? Was will sie nur von ihm?
Nadja ignorierte das Streitgespräch und hing ihren Gedanken nach. In ihrem Kopf kreisten die Informationen, die sie in den letzten Stunden im Internet gelesen hatte.
Wonach soll ich noch suchen? Welche Schlagworte kann ich sonst eingeben? Und was ist, wenn ich einfach nichts finde? Wenn Cagliostro sich doch versteckt hält und seine Sehnsucht nach Festen und Prunk zügelt?
Die Tageszeitungen Tokios waren voll von größeren und kleineren Besonderheiten, neuen Veranstaltungen und Ereignissen. In einer Stadt wie dieser war immer etwas los. Aber von einem Cagliostro oder einem Conte del Leon keine Spur.
Zerschlagen kam Nadja vor ihrem Zimmer an. Flüchtig verabschiedete sie sich von Torio und hoffte, dass er in sein Zimmer ging, ohne den nächsten Streit mit Naburo anzufangen.
Nachdem sie die Tür vorsichtig geöffnet hatte, sah sie den Shishi, der friedlich auf einer Tatami-Matte zusammengerollt schlief. Sie ging ins Bad und schlüpfte in den Haus-Yukata, den das Hotel den Gästen zum Schlafen bereitstellte. Es handelte sich um einen dünnen, schlichten Kimono, der zudem nach dem Baden verwendet werden konnte. Er war einfacher zu binden als richtige Kimonos und wesentlich leichter. Nadja strich über den dünnen hellblauen Stoff, der mit roten und gelben Blütenblättern bedruckt war. Dann kroch sie unter die blaugelbe Bettdecke. Zum Glück war es im Zimmer angenehm warm.
Chiyo verschwand ebenfalls in dem winzigen modernen Bad. Auch sie trug den Hotel-Kimono und ihre neusten Errungenschaften – ihre Strassketten, Ohrringe und den funkelnden Haarreif –, von denen sie sich anscheinend auch in der Nacht nicht trennen wollte. Immer wieder strichen ihre Alabasterfinger über die Schmuckstücke. Eine Weile redete sie noch auf die müde Nadja ein,
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