Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
wurde sie. Ihre Hand berührte den Anhänger der Tenna. Würde er sie wirklich vor Cagliostro schützen?
»Danach folgt wieder ein Nô-Theaterstück. Irgendetwas von einem Fischer, der einer Fee das göttliche Ge-wand stiehlt ‚woraufhin sie vergehen muss.«
»Es ist geschickt, sich als Elf in einem Theater zu verstecken«, befand Chiyo, deren Blick schon wieder an den Auslagen der Schaufenster hing. »Ich meine ... sie können ihr elfisches Wesen einsetzen, und es fällt zugleich niemandem auf, wie anders sie wirklich sind.«
Nadja nickte. Sie kamen an einem kleineren Geschäft mit Sonnenbrillen und dünnen Kopftüchern in allen nur erdenklichen Farben vorbei. Auch Rosa, Gelb und Violett in Neontönen waren darunter.
»Wartet mal!« Nadja betrachtete die Auslage. Obwohl in Tokio alles so groß, weit und hoch war, erschienen ihr die Häuser schmaler als zu Hause; ein rätselhafter Eindruck. Vielleicht kam er gerade durch die Höhe. Im Verhältnis wirkte die Basis der Hochhäuser gedrängt. »Ich möchte mir noch eine Sonnenbrille und so ein Kopftuch kaufen. Auch wenn dieser Stein der Tenna mich schützt, muss ich mein Glück ja nicht herausfordern.«
Naburo stimmte ihr zu und gab ihr kleine silberne Münzen. Nadja hoffte, dass ihr Geld und ihr Ausweis samt ihrem Handy am nächsten Tag im Hotel eintrafen. Noch war sie auf die Hilfe der Elfen angewiesen.
Sie betrat das kleine Geschäft und wählte zielsicher eine schlichte Sonnenbrille und ein einfaches schwarzes Tuch mit winzigen gestickten Blüten, das sie um ihr kastanienbraunes Haar schlang. Trotz des fortgeschrittenen Herbstes war es tagsüber noch immer warm und hell draußen. Zwar benötigten die Japaner aufgrund ihrer Augenform keine Sonnenbrille, doch trugen besonders die jungen Leute dieses Accessoire, um westlich modern zu wirken. Nadja musste nicht fürchten, dadurch besonders aufzufallen.
Chiyo kaufte sich zwei weitere Ketten aus Strasssteinen, und auch die Elfen deckten sich mit Sonnenbrillen und Tüchern ein. Nadja musste schmunzeln, als sie Torio und Naburo mit den Brillen sah. Durch ihre dunklen Anzüge und die langen Haare wirkten die Brüder nun mehr denn je wie Künstler oder Rockstars.
Sie sehen verdammt gut aus. Waschechte Elfen eben
.
Nadja überließ es Naburo, bei der molligen, freundlichen Ladeninhaberin zu bezahlen, und dachte an David und Rian. Endlich ein Schritt voran!
Sie gingen weiter und blieben kurz darauf vor einem Plakat stehen, das an eine der altmodischen gusseisernen Laternen gebunden war. Es zeigte einen Mann in italienischem Anzug mit einer weißen venezianischen Maske. Er stand aufrecht und streckte dem Betrachter eine Hand entgegen, als wolle er ihn zu sich locken.
»Ist er das?«, fragte Chiyo neugierig. Der Shishi beschnüffelte das Plakat ausgiebig.
»Ja, das ist er.« Nadja war sich sicher. Dieser Mann war Cagliostro. Auf dem Plakat stand eine Werbung in Kanji-Schriftzeichen, zusammen mit einigen Zahlen.
Für einen Moment verblasste der Geräuschpegel der Stadt um Nadja. Das Brummen und Rauschen der Autos wurde leiser, das Hupen verstummte. Sie starrte auf den Mann im eleganten italienischen Anzug und spürte ungeheure Wut in sich aufsteigen.
Nadja ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Angst um David und Rian ließ sie heftiger atmen. Tröstend drängte sich Kush an ihre Beine.
Chiyo berührte ihre Schulter. »Nadja? Wir müssen weiter. Die Vorstellung fängt bald an.«
Ruckartig wandte sie sich von dem Plakat ab. »Entschuldigt.« Sie setzte die Sonnenbrille auf ihrem Nasenrücken zurecht und folgte den Elfen.
Das Theater war in einem niedrigen traditionellen Gebäude mit Giebeldach und riesigen Ausmaßen untergebracht. Ein länglicher, dreistöckiger Gebäudekomplex ging vom eigentlichen Theater ab. Dieser zweite Trakt war von einer zwei Meter hohen Steinmauer umgeben, welche direkt an die Wand des Theaters anschloss. Über dem Eingang des Hauses stand in neonleuchtenden Kanji-Zeichen der Name des Theaters. Es ging eine breite Treppe hinauf zum Eingangsbereich, wo bereits an die hundert Menschen anstanden. Die meisten waren jünger als dreißig. Es herrschte eine Stimmung wie vor einem Rockkonzert. Einige Japaner rauchten, andere hatten Flaschen mit einer undefinierbaren Flüssigkeit dabei. Irgendein alkoholisches Getränk vermutlich.
Nadja musterte all die jungen, erwartungsvollen Gesichter. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. Frau Omotes Worte kamen ihr in den Sinn: Dort herrscht etwas Altes und
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