Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
Rathaus und von da oben noch einen zweiten Zauber wirken. Chiyo wird wohl mit dir gehen müssen.«
»Ich will wieder in das Internetcafé. Kannst du sie nicht begleiten?«
Langsam ließ er den Bogen sinken. »Ich weiß nicht, ob diese Idee so gut ist. Naburo könnte wütend werden.«
»Was genau ist eigentlich zwischen euch los?«
»Warum fragst du das nicht ihn?«
»Ich frage dich.«
Torio hob den Bogen wieder an, spannte die Sehne und ließ los. Ein hoher, durchdringender Ton durchstieß das Zimmer. »Das Spannen eines Bogens ist bereits das Ziel. Es ist nicht der Abschuss, der zählt. In jedem Elfen gibt es etwas, das von selbst trifft, wenn man es nur zulässt. Außerdem ist es ein Ritual. Wusstest du, dass der Ton einer losgelösten Bogensehne böse Geister vertreibt? In der Menschenwelt ist das nur ein Aberglaube, aber in meiner Welt ist es die Wahrheit.«
»Anscheinend willst du nicht darüber reden.«
»Richtig.« Torio spannte den Bogen erneut und grinste spöttisch. »Dir kann man nichts vormachen. Und an ein klassisches Hofzeremoniell hältst du dich ohnehin nicht. Aber ich muss es wohl. Sage Prinzessin Chiyosana, ich stehe ihr in Kürze zur Verfügung.«
Nadja betrachtete den Elfen, der mit dem Bogen vor der Abenddämmerung stand. Er hatte die milchigen Papierschiebewände in seinem Zimmer zur Seite geschoben, um möglichst viel Sonnenlicht einzulassen.
»Gut. Es geht mich auch nichts an. Ich hoffe nur, ihr schafft es trotz allem, was früher war, zusammenzuarbeiten.«
Torio sagte nichts, und Nadja ging zu Chiyo zurück. Die Prinzessin war zwar nicht begeistert, wollte aber auch nicht allein gehen. Sie fand sich in der Stadt nur sehr schwer zurecht, konnte die Schriftzeichen kaum lesen. Außerdem hatte sie Angst vor der Masse der Menschen.
Nadja erkundigte sich an der Rezeption nach dem nächsten Kino und vergewisserte sich noch einmal, dass die Elfen die Karte mit der Hoteladresse einstecken hatten. Dann brachte sie ihre Begleiter ins Kino und machte sich zum dritten Mal auf den Weg ins Internetcafé.
Yuko Omote war bereits am Treffpunkt, als Nadja fünf Minuten zu spät eintraf. Sie hatte sich verfahren und war wie eine Irre durch die Stadt gehetzt, bis sie endlich die richtige Station und den richtigen Ausgang gefunden hatte. Auch der Weg zu ihrer Verabredungsstelle, der Nijû-Brücke im Yoyogi-Park, hatte sie überraschend viel Zeit gekostet.
Sie konnte die einzelne Frau in der klassisch-strengen schwarzen Kleidung bereits von Weitem sehen. Omote stand auf der steinernen Rundbogenbrücke in der Nähe einer der zahlreichen grün angelaufenen Laternen mit den weißen runden Lampen und sah auf das Wasser unter sich. Als Nadja sich näherte, drehte sie sich langsam um.
Nadja begrüßte die Wartende und blickte zum Palast mit seinen grauen Giebeldächern. Von ihrer Position aus konnte sie ein hohes, quadratisch wirkendes Haupthaus und einen davon abgehenden Seitentrakt ausmachen. Der weiße Bau stand auf einem Sockel aus grauen Steinen. Zum Wasser hin fiel das Gelände steil ab. Hohe Bäume schlossen den Kaiserpalast ein, deren Grün nahezu ungebrochen war.
»Ein sehr eindrucksvolles Gebäude.«
»Am schönsten ist der Garten. Sie sollten ihn unbedingt einmal besichtigen.«
Nadja betrachtete eine Reihe junger Männer in Samurai-Verkleidungen, die zielstrebig über die Brücke liefen. Irgendwo im Park gab es eine Veranstaltung. Der Klang von Trommeln und Flöten lag in der Luft. Es sah ganz so aus, als fände in der Nähe ein großes Volksspektakel statt. Viele Jugendliche und junge Erwachsene waren unterwegs, ebenso Familien mit Kindern in festlichen Gewändern und traditionellen Kimonos. Der Himmel war strahlend blau, eine leichte Brise wehte und brachte Nadja dazu, sich eine Haarsträhne aus dem von der Eile erhitzten Gesicht zu streichen.
Frau Omotes Gesicht war abweisend. »Miss Oreso, was kann ich noch für Sie tun? Möchten Sie eine Einführung in die Historie des Palastes, angefangen bei der Herrschaft der Shogune?«
Interessiert bemerkte Nadja, dass ihr Gegenüber exakt gleich gekleidet war wie am Vortag. Omote trug einen Rock und einen Blazer, halbhohe Schuhe mit flachen Absätzen und einen einfachen Haarknoten auf dem Hinterkopf. Da sich Small Talk in ihrem Fall nicht bewährt hatte, entschied Nadja sich für den direkten Angriff.
»Nein danke. Haben Sie etwas über Cagliostro herausfinden können?«
»Ich sagte Ihnen bereits am Telefon, dass dem nicht der Fall ist.«
Nadja
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