Rage Zorn
Anekdoten aus ihrer Collegezeit. Natürlich beherrschte Jack das Gespräch, aber Dean schien nichts dagegen zu haben, ihm die Bühne zu überlassen. Jack war ein begnadeter und witziger Geschichtenerzähler.
Dean war ein ausgezeichneter Zuhörer. Er fragte sie nach ihrer Arbeit und wandte, während sie ihm einen ganz normalen Arbeitstag schilderte, seinen Blick kein einziges Mal von ihrem Gesicht. Er lauschte ihr, als wäre sie ein Orakel, das ihm die Zukunft der Menschheit offenbarte. Er hing an ihren Lippen und fragte hartnäckig nach. Das war Deans besondere Gabe â anderen
Menschen das Gefühl zu geben, sie seien das Zentrum des Universums.
Jack genoss den Abend so sehr, dass er dabei zu viel Brandy genoss. Er schlummerte selig auf dem Rücksitz, als Dean seinen Wagen schlieÃlich vor ihrem Stadthaus anhielt.
»Den haben wir wohl verloren«, bemerkte er.
Sie warf einen Blick auf ihren Verlobten, der leicht durch den offenen Mund schnarchte. »Ich glaube, du hast Recht. Bringst du ihn heim und ins Bett?«
»Nur wenn ich ihm keinen Gutenachtkuss geben muss.«
Sie lachte. »Jack hat mir so viel von dir erzählt, dass du für mich schon längst zum Freund geworden bist. Versprich mir, dass du bald wieder mit uns ausgehst.«
»Versprochen.«
»Gut.« Sie griff nach dem Türhebel.
»Warte. Ich bringe dich noch an die Tür.«
Ungeachtet ihrer Proteste stieg er aus und kam mit einem Schirm bewaffnet an ihre Wagentür, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Dann begleitete er sie an die Haustür. Er nahm ihr sogar den Schlüssel ab, schloss mit der freien Hand für sie auf und wartete, bis sie die Alarmanlage ausgeschaltet hatte.
»Danke fürs Heimbringen.«
»Gern geschehen. Wann ist der groÃe Tag?«, fragte er dann.
»Welcher groÃe Tag?«
»Die Hochzeit natürlich. Ich muss sie in meinen Terminkalender eintragen. Als Trauzeuge sollte ich nach Möglichkeit dabei sein, verstehst du?«
»Wir haben noch kein Datum festgelegt. Irgendwann im September oder Oktober.«
»Erst so spät? Bei Jack hat es sich angehört, als würdet ihr schon eher heiraten.«
»Das würden wir auch, wenn es nach ihm ginge, aber ich möchte alles in Herbstfarben halten.«
»Ja, das hört sich gut an. Wird es eine kirchliche Hochzeit?«
»In der presbyterianischen Kirche.«
»Und die Feier?«
»Findet wahrscheinlich in einem Country Club statt.«
»Da muss viel organisiert werden.«
»O ja.«
»Hmm.«
Er schien gar nicht zu merken, dass der Regen von den Metallspitzen des Regenschirms auf seine Schuhe tröpfelte. Sie merkte nicht, dass der Regen ins Haus und auf ihren FuÃboden geweht wurde. Schon an jenem ersten Abend hielt der Blick, mit dem sie sich verabschiedeten, ein paar Sekunden zu lang an.
Damals war es Dean gewesen, der schlieÃlich das Gesicht abgewandt und sich mit rauer Stimme verabschiedet hatte. »Gute Nacht, Paris.«
»Gute Nacht.«
Wenn dem zukünftigen Ehepartner ein langjähriger Freund oder eine alte Freundin vorgestellt wird, herrscht oft vom ersten Augenblick an eine innige Abneigung, die dem Menschen dazwischen, der alle beide liebt, das Leben schwer macht. Sie hatte Dean vom ersten Moment an ins Herz geschlossen.
Und sie war so naiv gewesen, das für ein gutes Zeichen zu halten.
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Jetzt nahm Dean ihre Hand und drehte Paris herum, bis sie ihn ansehen musste. Er blickte sie mit der gleichen verstörenden Eindringlichkeit an wie an dem Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, und sein Blick hatte den gleichen magnetischen Effekt. Sie spürte, wie sich ihre Willenskraft in Luft auflöste, und wusste, dass sie verloren war, wenn sie sich nicht augenblicklich zur Wehr setzte.
»Dean, ich bitte dich inständig. Fang nicht damit an.«
Sie wollte sich an ihm vorbeischieben, doch er versperrte ihr den Weg. »Die Umstände haben sich vielleicht verändert, aber nicht das, was wirklich zählt.«
»Es zählt immer noch das, was schon immer gezählt hat. Jack.«
»Er ist durch die Hölle gegangen«, sagte er. »Ich weià das.«
»Du kannst unmöglich wissen, was für eine Hölle sein Leben nach jenem Abend war.«
Er senkte das Gesicht, um ihrem näher zu sein. »Richtig, das weià ich nicht. Weil du damals keinen Zweifel daran gelassen hast, dass ich ihn
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