Rage Zorn
festgehalten. Très Gestapo.«
»Hör auf zu dramatisieren, Stan.«
Nach ihrem wiederholten Besuch bei der Polizei und dem beunruhigenden Abstecher zu den Kemps hatte sie keine Zeit mehr zum Schlafen gefunden. Ehe sie ein Auge zumachen konnte, musste sie noch eine vierstündige Sendung hinter sich bringen, während der sie so tun musste, als sei alles in bester Ordnung. Das war keine ermutigende Aussicht.
Sie war wirklich nicht erpicht darauf, ihre bereits strapazierten Kräfte und die wenige Zeit, bis ihr der Abend-DJ das Mikro überlieÃ, darauf zu verschwenden, Stans verletztes Ego aufzupolieren.
»Heute Morgen habe ich mit einem Detective über Valentinos Anruf gesprochen«, erklärte sie. »Wie sich herausgestellt hat, wird eine junge Frau aus unserer Gegend vermisst. Die Polizei stellt Nachforschungen an, ob es eine Verbindung zwischen ihrem Verschwinden und Valentinos Anruf gibt. Dabei werden routinemäÃig alle überprüft, die auch nur am Rande mit der Sache zu tun haben. Nimm es also nicht persönlich. Sie haben nicht nur dich auf dem Kieker. Mit Marvin haben sie auch schon geredet.«
»Na toll. Ich stehe also auf einer Stufe mit unserem Hausmeister. Da fühle ich mich gleich viel besser.«
Ausnahmsweise hatte sie das Gefühl, dass sein Sarkasmus berechtigt war. »Es tut mir Leid. Ehrlich. Die Polizei geht nur so gründlich vor, weil man meine Einschätzung teilt, dass es sich nicht um einen schlechten Scherz handelt. Ich hoffe, dass wir alle überreagieren und letztendlich nichts hinter der ganzen Sache steckt. Aber wenn unsere Befürchtungen zutreffen, dann steht das Leben eines Mädchens auf dem Spiel. Trotzdem bedaure ich natürlich, dass du unglücklicherweise in die Sache verwickelt wurdest.«
Er wirkte besänftigt, aber nur halbwegs. Stan sorgte sich stets vor allem um Stan. »Die Polizei hat auch mit dem Geschäftsführer gesprochen. Der hat natürlich sofort Onkel Wilkins angerufen, und der hat wiederum den Polizeichef angerufen, um ihm, soweit ich erfahren habe, gehörig die Meinung zu sagen.«
»Dann stehst du bestimmt nicht mehr unter Verdacht.«
»Ich habe unter Verdacht gestanden?«, rief er aus.
»Nur so eine Redewendung. Vergiss es. Zieh los und kauf dir ein neues Spielzeug. Bestimmt gibt es irgendwas auf dem Markt, das du noch nicht hast. Gönn dir was. Dann wirst du dich gleich besser fühlen.«
»So leicht ist das nicht, Paris. Mein Onkel war noch wütender als ich. Er hat den ganzen Nachmittag immer wieder den Manager angerufen, weil er wissen wollte, was zum Teufel hier los ist. Du kannst dich darauf gefasst machen, dass du bald ins Allerheiligste zitiert wirst.«
»Da war ich schon.«
Der Manager des Senders hatte sie auf dem Handy angerufen, als sie gerade von dem Grundstück der Kemps abgefahren war. Er hatte sie um ein Gespräch gebeten, wobei er die Bitte allerdings als Befehl formuliert hatte. Dann hatte er ihr eine Gardinenpredigt gehalten, weil sie die Polizei angerufen hatte, ohne vorher mit ihm über Valentinos Anruf zu reden. Er sorgte sich hauptsächlich um den Ruf des Senders.
»Ich habe ihm das Band vorgespielt«, erzählte sie Stan. »Der Anruf hat ihn tief beunruhigt, so wie bisher jeden, der ihn gehört hat. Er hat daraufhin mit Sergeant Curtis telefoniert. Das ist der Detective, der die Untersuchung leitet.«
Der Manager hatte über die Freisprechanlage mit Curtis telefoniert, sodass Paris ihr Gespräch mithören konnte. Er hatte dem Detective versichert, dass Paris und alle bei 101.3 mit der Polizei kooperieren würden, aber er hatte auch gröÃten Wert darauf gelegt, dass der Sender so wenig wie möglich in den Fall verwickelt würde, falls Janey Kemps Verschwinden Schlagzeilen machen sollte.
Curtisâ Antwort war gewesen: »Ehrlich gesagt mache ich mir mehr Sorgen um das Leben dieses Mädchens als darum, ob Ihr Sender in der Presse auftaucht.«
Ehe sie das Büro des Managers verlieÃ, hatte er sie quengelnd darauf hingewiesen, dass ihre sorgsam gewahrte Anonymität bald dahin sein könnte. Dieser Gedanke war ihr auch schon gekommen, und sie hoffte, dass er nicht wahr würde. Jahrelang hatte sie ihre Privatsphäre mit dem Fanatismus eines Geizhalses verteidigt, der seinen Goldhaufen beschützen will. Nie wieder wollte sie die Hauptfigur in einer Sensationsstory sein.
Aber sie war mit
Weitere Kostenlose Bücher