Rage Zorn
worden war. Pat hatte es Dean hoch angerechnet, dass er sich nicht aus seiner väterlichen Verantwortung gestohlen hatte.
»Er kommt nicht mit seinem Stiefvater aus?«, fragte Paris.
»Das ist Gavins Schuld. Er hat sich nicht nur schlecht, sondern geradezu unmöglich benommen. Pat und ich haben uns darauf geeinigt, dass er eine Weile bei mir wohnen soll.« Er beschrieb ihre angespannte Koexistenz. »Das Schlimmste daran ist, dass ich mich wirklich darauf gefreut habe, ihn bei mir zu haben. Ich wünsche mir so sehr, dass es mit uns klappt.«
»Das wird es bestimmt, du musst nur Geduld haben. Gavin ist ein guter Junge.«
Er lachte. »In letzter Zeit würde ich das nicht mehr bedingungslos unterschreiben. Aber ich hoffe, dass irgendwo unter all der Feindseligkeit und dem Gebocke immer noch der liebe Junge steckt, an den du dich erinnerst.«
Zur halben Stunde las sie ein paar Schlagzeilen von ihrem Nachrichtenmonitor ab. Danach folgten mehrere Werbeeinblendungen, während sie gleichzeitig Anrufe entgegennahm. Ein Anrufer bat sie um ein Rendezvous. Sie wand sich elegant aus der Affäre.
»Vielleicht hättest du zusagen sollen«, neckte Dean sie. »Er hat sich hoffnungslos angehört.«
»Hoffnungslos betrunken.« Sie erwiderte sein Lächeln und löschte den Anruf vom Vox Pro.
Der nächste Anruf kam von einem aufgekratzten Pärchen, das sich eben verlobt hatte. »Er wollte, dass ich eine Flasche Wein aufmache, und hat mir dann ein Glas mit dem Ring darin überreicht.« Nicht einmal ihr Quieken konnte den charmanten britischen Akzent ausblenden. »Meine Freundinnen in London werden ihren Ohren nicht trauen! Als wir klein waren, durften wir keine einzige Folge von Dallas verpassen, weil jede von uns heimlich davon träumte, eines Tages einem bezaubernden Texaner zu begegnen.«
Weil die junge Frau so überglücklich klang, fragte Paris, welches Lied sie gern hören würde.
»Sheâs Got A Way . Er sagt, Billy Joel könnte es über mich geschrieben haben.«
»Und damit hat er bestimmt Recht. Ist es okay, wenn die anderen Zuhörer unser Gespräch hören?«
»Dufte!«
Sie notierte hastig die Namen und beantwortete danach einige weitere Anrufe. Nach den Werbeeinblendungen nahm sie das Telefonat mit dem frisch verlobten Pärchen auf Sendung, lieà den gewünschten Titel folgen und spielte danach Precious and Few , das wiederum in The Rose überging.
Mittlerweile bediente sie das Mischpult praktisch im Schlaf, weshalb sie all das tun und gleichzeitig weiter mit Dean über Gavin reden konnte. »Was hat er gesagt, als du ihm von deiner Begegnung mit Melissa Hatcher erzählt hast?«
»Er hat behauptet, er würde sie nicht kennen.«
Paris sah ihn forschend an, und er las ihre Gedanken.
»Ja, das gibt mir auch zu denken. Warum wollte er nicht zugeben, dass er sie kennt? Er wollte auch nicht zugeben, dass er Janey Kemp kennt, bis ich ihn in die Ecke gedrängt habe.«
»Und wie gut kennt er sie?«
»Nicht besonders. Das behauptet er wenigstens, aber in letzter Zeit bekomme ich nicht immer die reine Wahrheit zu hören.«
»Nicht mehr wie damals, als er einen Achter in sein Fahrrad fuhr.«
»Du hast das nicht vergessen?«
»Jack und ich waren bei dir, weil wir zusammen kochen wollten. Gavin war das Wochenende über bei dir. Er war mit ein paar Jungen aus der Nachbarschaft beim Radfahren, aber als er heimkam, musste er sein Rad schieben. Die Speichen des Vorderrades waren praktisch waagerecht abgeknickt. Du hast ihn gefragt, ob er probiert habe, auf dem Hinterrad zu fahren, und als er das zugab, hast du ihn für den Rest des Abends auf sein Zimmer geschickt.«
»Was für sich allein Strafe genug gewesen wäre, weil er dich und Jack so gern hatte. Aber ich habe ihn obendrein verdonnert, sich das Geld für ein neues Vorderrad zu verdienen.«
»Hart, aber gerecht, Dean.«
»Findest du wirklich?«
»Wirklich. Du hast ihm klar gemacht, dass solche Dinge Geld kosten, aber eigentlich hast du dich damals weniger über das kaputte Rad aufgeregt.«
Er lächelte versonnen. »Ich habe ihm tausendmal gesagt, er soll keine Tricks probieren und nicht über den Bordstein fahren, weil das so gefährlich ist. Ich wollte nicht, dass er als Organspender endet.«
»Genau. Er hätte sich den Schädel einschlagen oder den Hals brechen
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