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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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– ist unser wertvollstes Gut. Auf ihr gründen sich all unsere Privilegien. Wenn die Lineage nicht reingehalten wird, zerbricht unser Volk, verliert sich unsere Macht.«
    Matthew konnte nicht verhindern, dass seine Hände zitterten, als er fortfuhr. »Du wirst zerrissene Seelen in die Welt setzen, wenn du weiter mit dieser Frau schläfst.«
    Der alte Mann sah den abweisenden Ausdruck auf dem Gesicht seines Sohnes und das Herz wurde ihm schwer.
    »Ich schlafe nicht mit Hanna, Vater«, sagte Greg kopfschüttelnd. »Ich habe ihr lediglich versprochen, ihr bei der Suche nach Jim behilflich zu sein.«
    Der Meisterschnitzer schnaubte ungläubig. Er spürte Erleichterung durch seine Adern strömen, aber gleichzeitig war er zutiefst besorgt über Gregs Worte.
    »Ist dir mal der Gedanke gekommen«, sagte Greg, »dass Jim sich nicht vor Hanna, sondern vor dir versteckt hält, Vater?«
    »Warum sollte er das tun?«, fragte Matthew.
    »Möglicherweise hat ihm ja der Würgegriff deiner Eitelkeit die Luft zum Atmen genommen.«
    Der alte Mann setzte zu einer zornigen Erwiderung an, aber in diesem Moment tauchte Annie Waata hinter der staubigen Scheibe der Eingangstür auf.
    »Guten Tag, Annie«, sagte Matthew mit einem hoffnungsvollen Lächeln. »Du bist bestimmt hier, um die Rinde zu holen.«
    Annies wacher Blick wanderte zwischen Greg und seinem Vater hin und her.
    »Ich komme und helfe dir«, sagte Greg schließlich und ging mit der jungen Frau nach draußen.
    Matthew nahm die Decke von seiner Wolfsmaske und setzte seine Arbeit fort. Doch um die Abaloneschalen in die dafür vorbereiteten Löcher einzusetzen, brauchte er eine ruhige Hand und die hatte er im Augenblick nicht.
    Meine Hände zittern, als wäre ich Alkoholiker.
    Der alte Mann reckte den Hals, um Greg und Annie durch das Fenster zu beobachten. Er hoffte und wünschte, irgendeine Art von Verbundenheit in ihren Gesten zu entdecken. Doch er wurde enttäuscht. Sie standen einander gegenüber und redeten, als wären sie Fremde.
    Annie Waata war die Frau, die Greg heiraten sollte, damit alles wieder in Ordnung kam. Was bedeutete es schon, dass es zwischen beiden keine Leidenschaft gab? Zwischen ihm und seiner Frau Myrtel hatte es Derartiges auch nicht gegeben. Aber Myrtel war wie Annie die Tochter eines angesehenen Mannes gewesen und dadurch, dass er sie geheiratet hatte, war sein gesellschaftlicher Rang gesichert worden.
    Für ihn, der einen großen Teil seiner Kindheit in der Welt der Weißen zugebracht hatte, war das von ungeheurer Bedeutung. Als wäre durch die Verbindung mit Myrtel ein Makel in seinem Leben wieder ausgemerzt worden.
    Aber seine Frau hatte ihm nur einen Sohn geboren statt zwei oder drei, wie Matthew es sich erhofft hatte. Und dann war sie gestorben und hatte ihn mit dem verträumten und verspielten Jungen allein gelassen.
    Als das Meer ihm Jim schenkte, stark und mit einem klaren Ziel vor den Augen, richtete sich Ahousats Augenmerk ganz auf ihn. Jim suchte nicht nach Liebe und Geborgenheit, er war begierig darauf zu lernen und er sehnte sich nach Anerkennung.
    Das gefiel Matthew. Nach einigen Monaten, in denen Jim bei ihnen in Neah Bay lebte, fand er allerdings heraus, dass der Junge zwei Gesichter hatte. Da war dieser ehrgeizige, zielstrebige junge Mann, der nichts anderes wollte, als ein guter Schnitzkünstler zu werden. Und auf der anderen Seite versuchte Jim, dem fünf Jahre jüngeren Greg die Mutter zu ersetzen und ihm das Gefühl von Wärme zu vermitteln. Das war eine Seite von Jim, die Matthew immer fremd geblieben war.
    Zu dritt waren sie ein seltsames Gespann: ein mürrischer Mann, ein ernster, schweigsamer Halbwüchsiger und ein schüchternes Kind mit zu viel Fantasie.
    Später, von Jims Ehrgeiz angesteckt, hatte Greg sich ebenfalls für die Kunst seines Volkes zu interessieren begonnen. Seine Leidenschaft galt allerdings von Anfang an den Farben. Und auch, wenn er inzwischen fast so gut schnitzen konnte wie Jim, hatte sich bis heute nichts daran geändert.
    Seufzend wandte sich Matthew wieder seiner Maske aus Zedernholz zu, um die Muschelzähne einzusetzen. Bis zum Potlatch in zwei Tagen musste sie fertig sein.
    Als Greg den alten Pick-up von Annies Vater mit Rindenbündeln belud, fragte sie ihn: »Hast du dich entschieden wegen des Potlatchs?«
    Verdammt, fluchte er innerlich, sie setzt mir schon wieder die Pistole auf die Brust. Greg warf das letzte Bündel Zedernbast auf die Ladefläche und rieb sich die Hände an der Hose ab.
    Ein

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