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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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hatten, wollte Bill ganz sichergehen. »Ich werde gleich vorbeikommen und mir die Sache ansehen«, sagte er. »Ist in einer halben Stunde okay?«
    Greg nickte. »Wir werden da sein.«
    Bill warf einen Blick auf Hanna und räusperte sich. »Ist nicht gerade ein netter Empfang, den wir Ihnen bereiten, Miss Schill. Ich hoffe, es geht Ihnen gut?«
    Sie rang sich ein Lächeln ab. »Es tut schon kaum noch weh.«
    »Zedernbast, geklopft und angefeuchtet, wirkt Wunder bei Prellungen.«
    Hanna wurde rot. »Schon passiert. Greg hat sich gestern Abend noch als Medizinmann betätigt.«
    Bill konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Greg sich unter einem Vorwand verabschiedete und fast aus dem Büro flüchtete. So verlegen hatte er Greg Ahousat noch nie gesehen.
    Auch Hanna wandte sich zum Gehen. »Was ist eigentlich mit Ihrem Wagen passiert?«, rief Bill ihr hinterher.
    »Ich hatte einen kleinen Unfall und dabei ist der Auspuff kaputtgegangen. Jetzt ist alles wieder okay, wir können den Wagen gleich aus der Werkstatt holen.«
    »Sie hatten einen Unfall?«, fragte Bill erschrocken.
    Nahm dieser Albtraum denn gar keine Ende.
    Hanna lächelte. »Keine Angst, Sheriff, den hatte ich allein mir selbst zuzuschreiben.«
    Bill nickte und kratzte sich am Kopf, als er Hanna nachsah. Eine halbe Stunde später stand er auf der kleinen Veranda des Strandhauses und besah sich die Stelle, wo sich das Brett gelöst hatte.
    »Was denkst du?«, fragte Greg.
    »Ich bin mir nicht sicher, aber es sieht so aus, als hätte da jemand nachgeholfen.«
    »Und was jetzt?«
    Bill sah Greg an. »Vertrau mir, okay? Und lass sie nicht mehr allein.«
    Als Greg ins Haus zurückgehen wollte, hielt der Sheriff ihn am Arm zurück: »Ich habe noch eine Bitte, Greg.«
    »Was kann ich für dich tun, Bill?«
    »Ich brauche einen Pfahl, ungefähr so groß.« Mit seinen Händen beschrieb er einen Abstand von etwa vierzig Zentimetern.
    »Wann brauchst du ihn?«
    »Mach ihn, so schnell du kannst. Ich benötige ihn für jemanden, dem es sehr schlecht geht. Schnitze den Donnervogel.«
    Greg nickte. Er stellte keine Fragen, darüber war Bill froh. »Ich werde mich beeilen«, sagte er. »Komm morgen Vormittag wieder, okay!«
    Eingeschlossen im dunklen Raum seines Körpers dämmerte Dan Hadlock in tiefer Bewusstlosigkeit dahin. Er schwebte in grausamer Schwärze und wusste nicht, wo sie begann und wo sie endete. Irgendwo, sehr weit weg, erreichte ihn eine Ahnung seines Lebens, das er gehabt hatte, bevor diese Feuersäule vor ihm aufgetaucht war und im gleichen Augenblick alles mit einem lauten Schlag in totaler Finsternis versank.
    Jemand rief ihn, es war eine Frau, und von irgendwoher kamen Kinderstimmen. Aber Hadlock verkroch sich noch tiefer in der Dunkelheit, damit sie ihn nicht erreichen konnten. Wo er sich befand, da war er sicher vor den Geistern der Wälder und des Ozeans und sicher vor den Geistern der wilden Tiere, die sich mit denen der Menschen zu paaren versuchten. Das konnte einem schon mächtig Angst machen. Vor allem, wenn man so weiß war wie er. Aber hier, wo er sich befand, konnte ihm nichts geschehen. Im Labyrinth seiner Träume war er in Sicherheit.
    Greg hatte sich geeignetes Holz und spezielles Werkzeug aus Neah Bay geholt und den Wohnraum des Strandhauses zur Schnitzwerkstatt gemacht. Seine Werkzeuge lagen ausgebreitet auf dem Tisch. Es waren verschiedene scharfe Messer mit gekrümmter Klinge, die in mühevoller Kleinarbeit aus Feilenstahl gehämmert und später gefeilt worden waren. Diese Messer hatte Greg vor vielen Jahren von seinem Vater geschenkt bekommen.
    Hanna saß ihm gegenüber und las. Ab und zu hob sie den Kopf, um ihm bei seiner Arbeit zuzusehen.
    Einem Stück Zedernholz von vierzig Zentimeter Länge und einem Durchmesser von etwa sieben Zentimeter hatte er die Grundform und eine grobe Einteilung gegeben. Das Schnitzen eines Miniaturpfahls erforderte Fingerspitzengefühl, dafür war die Gestaltung nicht so kompliziert wie bei einem großen Pfahl.
    Greg zeichnete das Muster an. Ganz unten Zähne und Augen eines Bären. Darüber einen Otter, einen Wolf und zuletzt zeichnete er den großen Donnervogel. Greg kannte denjenigen nicht, für den der Pfahl bestimmt sein sollte, also wählte er jene Tiere, die am einfachsten und eindrucksvollsten zu gestalten waren. Abgesehen vom Donnervogel. Den hatte Bill sich gewünscht.
    Donnervögel waren mächtige Raubvögel, die in den Gipfeln der Gebirge hausen, so sagte es die alte Legende. Der Donner

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