Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
Geltung. Mit dem Stoff der Röcke, die ihr wie Glocken um die Beine bauschten, konnte man allerdings sicher ein Dutzend Frauen ihrer Größe einkleiden. Feine weiße Handschuhe schützten ihre Hände, und einmal, während sie auf den Kahn zuschritt, erhaschte er einen Blick auf ein adrettes schwarzes Stiefelchen an ihrem Fuß.
Der Botenjunge war gerade noch rechtzeitig gekommen, bevor Leftrin hatte ablegen wollen, um sich auf die Fahrt stromaufwärts nach Cassarick zu machen. »Trell vom Paragon lässt bestellen, dass er zwei Passagiere hat, die eilig nach Cassarick wollen. Wenn Ihr auf sie wartet, bezahlen sie Euch bestimmt einen guten Preis für die Reise.«
»Sag Trell, dass ich eine halbe Stunde auf sie warte. Dann lege ich ab«, hatte er dem Jungen mitgeteilt, der ihm die Nachricht gebracht hatte. Der Kerl hatte genickt und war davongehastet.
Tja, er hatte deutlich länger als eine halbe Stunde gewartet, und nun, da er sie sah, fragte er sich, ob es klug gewesen war. Er hatte mit Regenwildleuten gerechnet, die es eilig hatten, nach Hause zu kommen. Nicht mit Bingtownern samt einer ganzen Kutschenladung voller Gepäck. Er spuckte über die Reling. Nun ja, hoffentlich hielten sie Wort und zahlten dafür, dass er auf sie gewartet hatte.
»Unsere Fracht ist da. Verstaut sie«, befahl er Hennesey.
»Skelly, kümmere dich darum«, gab der Maat den Befehl an die junge Decksgehilfin weiter.
»Jawohl«, antwortete das Mädchen und hüpfte leichtfüßig übers Deck. Der große Eider setzte sich ebenfalls in Bewegung, um ihr zu helfen, während Leftrin an seinem Platz stehen blieb und die sich nähernden Passagiere beobachtete. Als sie am Ende des Landungsstegs ankamen, zuckte der feine Herr beim Anblick des langen und flachen Kahns, der da auf ihn wartete, regelrecht zurück. Im Stillen kicherte Leftrin, als der Geck sich umsah und ganz offensichtlich hoffte, ein anderes Schiff zu entdecken, das sie flussaufwärts bringen würde. Tressen. Der Stutzer hatte Tressen am Hemdkragen und an den Ärmelstulpen seines Mantels. Jetzt sah er zu Leftrin auf und brachte seine Gesichtszüge unter Kontrolle.
»Ist das der Teermann ?«, fragte er beinahe verzweifelt.
»Ist es in der Tat. Und ich bin Kapitän Leftrin. Ich nehme an, Ihr seid die Passagiere, die eine schnelle Überfahrt nach Cassarick brauchen. Willkommen an Bord.«
Noch einmal sah der Mann sich wie gehetzt um. »Aber … ich dachte …« Voller Entsetzen beobachtete er, wie einer der schweren Koffer mit Schwung auf die Reling gewuchtet wurde, bevor er mit einem dumpfen Schlag auf Deck krachte. Darauf wandte er sich an seine Begleiterin. »Alise, das ist unklug. Dieses Schiff ist kein geeigneter Ort für eine Dame. Wir sollten warten. Ein oder zwei Tage in Trehaug zu verbringen, wird uns nicht schaden. Die Stadt hat mich schon immer neugierig gemacht, und wir haben so gut wie nichts von ihr gesehen.«
»Uns bleibt keine Wahl, Sedric. Paragon wird allenfalls zehn Tage in Trehaug ankern. Die Reise nach Cassarick wird zwei Tage dauern, und für die Rückreise müssen wir ebenfalls zwei Tage veranschlagen, um Paragon rechtzeitig vor seiner Abfahrt zu erreichen. So bleiben uns höchstens sechs Tage in Cassarick.« Die Frau sprach mit ruhiger, belegter Stimme, in der eine gewisse Traurigkeit mitschwang. Der Schleier verdeckte den Großteil ihres Gesichts, doch Leftrin konnte ein kleines, entschlossenes Kinn und einen breiten Mund ausmachen.
»Aber, nun ja, Alise, sechs Tage sollten doch mehr als genug sein, wenn es stimmt, was Kapitän Trell über die Drachen gesagt hat. Also können wir einen Tag oder, wenn es sein muss, auch zwei Tage hier warten und nach einem angemesseneren Schiff Ausschau halten.«
Skelly schenkte den zankenden Passagieren keine Beachtung. Sie hatte einen Befehl vom Maat, und etwas anderes kümmerte sie nicht. Sie winkte Hennesey zu, der gerade einen kleinen Ladebaum über die Reling schwenkte. Dann ließ der Maat das Tau hinab. Geschickt fing Skelly den baumelnden Haken ab und hängte den Griff des Kleiderschranks ein. Eider und Bellin standen bereit, um ihn an Bord zu hieven. Leftrins Mannschaft war tüchtig, und sie würden das Gepäck vollständig verladen haben, während der Stutzer noch auf seinen Lippen kaute. Es war besser, jetzt gleich herauszufinden, was die Leute wollten, bevor sie nachher wieder alles entladen mussten.
»Ihr könnt wohl warten«, erklärte Leftrin dem Mann. »Aber ich glaube nicht, dass in den nächsten Tagen ein
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