Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
ich Euch dabei behilflich sein, an Bord zu kommen, meine Dame?« Er grinste sie an und wagte es, ihr den Arm hinzuhalten. Unsicher blickte sie auf seine ausgestreckte Hand und sah dann zu ihrem griesgrämigen Gefährten. Der Geck presste lediglich die Lippen zusammen. Dann war er bestimmt nicht ihr Ehemann, denn sonst hätte er das nicht zugelassen, vermutete Leftrin. Die Sache wurde besser und besser.
»Bitte«, drängte Leftrin, und erst als ihre Hand mit dem weichen weißen Handschuh auf dem groben, schmutzigen Stoff seines Hemdsärmels ruhte, wurde ihm der offensichtliche Standesunterschied zwischen ihm und der Frau bewusst. Sie senkte den Blick, als er sie ansah, und konnte nicht umhin zu bemerken, wie anziehend sich ihre Wimpern von den Sommersprossen auf ihren Wangen abhoben. »Hier entlang«, sagte er und führte sie zu den groben Brettern, die Teermann als Laufplanke dienten. Als sie darauftraten, knarrte und wankte der Steg. Unfreiwillig entfuhr Alise ein leises Keuchen, und sie klammerte sich fester an seinen Arm. Vom Ende der Planke musste man ein Stück nach unten springen, um auf das Deck zu gelangen. Am liebsten hätte er sie um die Taille gefasst und heruntergehoben, doch das wäre denn wohl doch zu kühn gewesen. Stattdessen reichte er ihr wieder den Arm, damit sie sich abstützen konnte. Das tat sie ausgiebig und wagte tapfer den Sprung. Kurz bevor sie unbeschadet neben ihm aufkam, sah er das Weiß ihres Unterrocks.
»Hier sind wir«, sagte er herzlich.
Kurz darauf kam der Stutzer mit einem dumpfen Schlag neben ihnen auf. Sein Blick wanderte zu Skelly, die die Koffer mit der restlichen Fracht an Deck verschnürte. »Hierher, das brauchen wir in unseren Kabinen«, rief der Geck.
»Keine Einzelkabinen auf dem Teermann , tut mir leid. Natürlich ist es mir eine Freude, der Dame für die Reise nach Cassarick mein Quartier zu überlassen. Ihr und ich werden jedoch zusammen mit der Mannschaft im Deckshaus unterkommen müssen. Ist zwar ein bisschen eng, aber für ein paar Tage kommen wir bestimmt zurecht.«
Jetzt sah der Kerl, der Sedric hieß, vollkommen entsetzt drein. »Alise, überlege es dir bitte noch einmal!«, flehte er.
»Leinen los! Wir legen ab!«, rief Leftrin zu Hennesey gewandt.
Während die Mannschaft sich beeilte, die Befehle des Maats auszuführen, wählte Grigsby, der Schiffskater, den Moment für seinen Auftritt. Er schlenderte auf die Frau zu, schnüffelte frech am Saum ihres Kleids und stellte sich dann unvermittelt auf die Hinterbeine, um seine orangefarbene Pfote auf ihren Rock zu legen. »Miau?«, schien er vorzuschlagen.
»Runter mit dir!«, fuhr Sedric den Kater an.
Doch Leftrin erfüllte es mit diebischer Freude, dass die Frau sich hinkauerte, um die Einladung des Katers entgegenzunehmen. Wie eine Blüte entfalteten sich ihre Röcke auf den Schiffsplanken. Sie hielt Grigsby die Hand hin, der sie beschnüffelte und dann seinen Kopf dagegendrückte. »Oh, ist der süß!«, rief sie aus.
»Genau wie seine Flöhe«, grummelte der Mann angewidert.
Doch die Frau lachte nur leise, ein sanftes Kichern, das Leftrin an das Gurgeln des Wassers am Schiffsrumpf erinnerte.
Die Nacht war hereingebrochen. Glücklicherweise war die trübselige Mahlzeit, die sie an einem ramponierten Holztisch aus Blechtellern eingenommen hatten, vorbei. Sedric saß auf der Kante einer schmalen Pritsche im Deckshaus und sinnierte über sein Unglück. Er fühlte sich elend. Elend, aber entschlossen.
Das Deckshaus wurde seinem Namen gerecht. Das niedrige Gebäude war die Behausung der Mannschaft und stand auf dem Deck. Im Innern fanden sich drei Zimmer, wenn man sie als solche bezeichnen wollte. Eines davon war die Kabine des Kapitäns, in der Alise derzeit untergebracht war. Das zweite Zimmer diente als Küche und besaß einen Holzherd und einen überfüllten Tisch mit Bänken zu beiden Seiten. Sedric befand sich im dritten Zimmer, dem Mannschaftsquartier. In einer Ecke des Raums bot ein Vorhang ein wenig Ungestörtheit für Swarge und seine stämmige Frau Bellin, die sich eine etwas größere Pritsche teilten. Was für ein Segen, wenn auch kein großer, dachte Sedric.
Solange es ging, hatte er einen Bogen um seine Pritsche gemacht und war mit Alise auf Deck geblieben, um das immer gleiche, bewaldete Ufer anzustarren. Der Kahn fuhr stetig und kam gegen den Strom überraschend schnell voran. Es wirkte, als bereite es der Mannschaft keinerlei Mühe, den Kahn zu steuern. Der große Eider und Skelly,
Weitere Kostenlose Bücher