Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
ihre Schritte den seinen an, sodass sie bald im selben Rhythmus gingen. Plötzlich kam es ihr beinahe wie ein Tanz vor, den sie gemeinsam vollführten. Nachdem sie den tiefsten Punkt erreicht hatten, begann der sachte Aufstieg, und die Bohlen waren fast wie die Sprossen einer Leiter. Unvermittelt gelangten sie an der Terrasse an. Dort blieb Alise stehen, um Atem zu schöpfen, und Leftrin verharrte neben ihr.
    »Nur noch drei weitere Brücken«, sagte er, und obwohl sie ein bisschen erschöpft war, fühlte sie sich von der Aussicht nicht entmutigt. Herausgefordert, ging es ihr durch den Kopf. Herausgefordert, aber nicht zu verängstigt, um die Herausforderung auszuschlagen.
    »Na dann, lasst uns gehen«, sagte sie.
    Auf der zweiten Brücke verlor sie ihren Mut beinahe, als ihnen eine Gruppe Arbeiter entgegenkam. Sie und Leftrin mussten zur Seite ausweichen, und von den Schritten der Arbeiter wackelte die Hängekonstruktion wie der Schwanz eines Hundes, der gerade gestreichelt wurde. Doch bereits auf der dritten Brücke stellte sich wieder das Gefühl ein, mit Leftrin zu tanzen. Als sie die letzte Terrasse erreichten, war sie zwar außer Atem, aber siegestrunken.
    Cassarick war eine ehrgeizige Siedlung. Das erkannte man an den Ausmaßen der Halle der Händler, die um den Stamm des größten Baums herumgebaut war, den Alise bisher gesehen hatte. Die Plattform, auf der sie stand, diente gleichzeitig als Promenade. Sie führte um Halle und Baum herum, und vier Treppen wanden sich von ihr zu benachbarten Bäumen hinauf. Da es zu dieser frühen Stunde tief unter dem Blätterdach noch immer dämmrig war, wurden die Stege von flackernden Fackeln erhellt. Ihr Weg hatte sie vom Fluss weggeführt, sodass noch weniger Licht von dem offenen Wasserstreifen zu ihnen drang. Alise kam es vor, als hätte sie eine Stadt des Zwielichts betreten, die von fantastischen Wesen bewohnt war.
    In Bingtown war sie unter den Nachfahren der Händlerfamilien aufgewachsen, die sich ursprünglich dort angesiedelt hatten. Ihr war die Verwandtschaft zu den Regenwildleuten stets bewusst gewesen, und sie hatte die Verbindung zwischen Regenwildnis und Bingtown respektiert. Nur hier in der Regenwildnis konnte man die uralten Schätze der Elderlinge bergen. Doch in der Regenwildnis zu leben und bei den Ausgrabungen der Elderlingsstädte zu arbeiten, forderte einen hohen Tribut von den Menschen, die hier siedelten. Beinahe jeder Regenwildbewohner hatte von Geburt an eine Missbildung, die mit jedem Lebensjahr stärker zutage trat. Manchmal waren es feine Schuppen auf der Stirn oder auf den Lippen oder ein Kranz von Hautlappen am Kinn. Im Alter änderte sich oft die Augenfarbe, und es kam zu einer Verdickung der Nägel. Derlei Dinge sah man häufig bei den Regenwildleuten, die nach Bingtown kamen. Auch Kapitän Leftrin hatte solche Male. Die Haut auf seinen Handrücken und auf den Knubbeln seiner Handgelenke war bläulich und leicht geschuppt. Über den buschigen Augenbrauen und im Nacken hatte Alise ebenfalls Schuppen ausgemacht. Allerdings konnte man sie leicht übersehen.
    In Cassarick, wie auch in Trehaug, trugen die meisten Regenwildleute keine Schleier. Dies war ihre Stadt, und ließen es Besucher an Respekt fehlen, machte man ihnen schnell klar, dass sie nicht willkommen waren. Alise hatte sich bemüht, die Arbeiter, die vorhin an ihnen vorbeigegangen waren, nicht anzustarren. Auf Handrücken und Ellbogen waren sie stark geschuppt gewesen, und die Schuppen waren nicht hautfarben, sondern blau, grün oder leuchtend rot gewesen. Den Schädel eines glatzköpfigen Arbeiters hatten die Hornplättchen wie ein Kettenpanzer überzogen, Brauen und Lippen waren unter den Schuppen verschwunden. Einem anderen waren Fleischwülste vom Kinn herabgebaumelt, und selbst seine Augen waren von dicken Hautlappen überschattet, die aussahen wie ein Hahnenkamm. Sie hatte den Blick von ihnen abgewendet und war dankbar gewesen, dass die wankende Brücke all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte.
    Nun aber stand sie auf einer festen Plattform, und es war nicht leicht zu entscheiden, wohin sie ihren Blick richten sollte. So früh am Tag waren nur wenige Leute unterwegs, doch alle trugen die Male der Regenwildnis. Viele sahen sie neugierig an, und sie redete sich verzweifelt ein, dass nur ihre Kleider, die so anders als die der Einheimischen waren, die Blicke auf sich zogen. Die Kleider der Arbeiter hätte man beinahe als Uniformen bezeichnen können, denn alle trugen

Weitere Kostenlose Bücher