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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Geschirrwanne. »Sollen wir dann gehen?«, lud er sie ein, worauf sie mit einem Nicken antwortete.
    Gemeinsam verließen sie die Küche, und er reichte ihr die Hand, um ihr vom Kahn herunterzuhelfen. Da noch keine Laufplanke gelegt worden war, musste sie mit einem Sprung vom Kahn auf den Kai übersetzen. Als sie sicher aufgekommen war, schien es ihr nur natürlich, sich bei ihm einzuhängen. Während sie im ersten Tageslicht am Kai entlanggingen, deutete er auf die anderen Boote, nannte ihr deren Namen und erzählte ein wenig über die anderen Schiffe. Teermann war mit Abstand das größte. »Und das älteste«, erklärte er ihr stolz. »Beim Bau hat man nicht mit Hexenholz gespart. Seit er vom Stapel gelaufen ist, hat der Fluss Tausende Boote zerfressen, aber noch immer trotzt Teermann Fluss, Felsen, ätzenden Strömungen und Treibholz und pflügt munter weiter durch die Fluten.«
    Als sie die schwimmenden Landungsstege verließen, gelangten sie auf einen Pfad aus festgetrampelter Erde. Unter ihren Füßen gab der Boden eigenartig nach. »Das ist eine Lederstraße«, erläuterte er. »Eine uralte Technik. Über Holzbohlen legt man eine Schicht gegerbtes Leder. Darüber kommt eine breite Schicht aus Zedernzweigen und Baumrinde. Dann wieder Häute und schließlich Asche und Erde. Dadurch wird die Verwesung verlangsamt und die Holz- und Lederschichten verleihen dem Ganzen Schwimmkraft. Zwar hält das auch nicht ewig, aber wenn sie das nicht machen würden, wäre diese Straße innerhalb von Wochen ein einziger Morast und würde sich mit einsickerndem Wasser füllen. Auch wenn es nach nicht viel aussieht, kostet es Cassarick doch eine Menge Geld, diese Wege instand zu halten. Und hier sind wir beim Aufzug. Oder möchtet Ihr lieber die Treppen nehmen?«
    Am Fuß eines gigantischen Baumes endete eine Wendeltreppe, die um den Stamm lief. Alise legte den Kopf in den Nacken und blickte zur untersten Ebene Cassaricks hinauf. Neben dem Treppenabsatz befand sich eine zerbrechlich wirkende Holzterrasse mit einem Geländer aus Stricken. Von dort hing eine lange Kordel mit einem Griff herab. »Damit könnt Ihr eine Glocke läuten, und wenn der Aufzugswart im Dienst ist, lässt er die Gegengewichte herab, um Euch heraufzuhieven. Das kostet zwar ein oder zwei Groschen, aber es geht schneller und einfacher als über die Treppe.«
    »Ich glaube, ich nehme lieber die Treppe«, beschloss Alise. Doch noch bevor sie die Stufen zur Hälfte erklommen hatte, bereute sie diese Entscheidung. Der Anstieg war steiler, als es ausgesehen hatte. Der Kapitän ging zügig neben ihr her und ächzte leise bei jedem Schritt. Doch als sie den ersten Treppenabsatz erreichte, vergaß Alise ihre schmerzenden Beine auf der Stelle.
    Um den Stamm herum lief eine breite Terrasse. An den Marktständen, die sich an den Baum schmiegten, wurden gerade die Vorhänge zurückgezogen. Von der Terrasse aus spannten sich in alle Richtungen Hängebrücken zu den Plattformen anderer Bäume. Zwar hatten die Stege Geländer aus geflochtenen Ranken, doch hingen sie in der Mitte durch und zwischen den Bohlen waren Spalten, durch die man hinabsehen konnte. »Hier entlang geht es zur Halle der Händler«, erklärte ihr Leftrin, und indem er ihre Hand auf seinen Arm legte, führte er sie auf einen der Stege hinaus.
    Nach vier Schritten wurde ihr schwindelig. Die Bohlen tönten unter ihren Füßen. Leftrin schenkte dem dürftigen Geländer keine Beachtung und schien das Schwanken der Brücke nicht zu bemerken. Alise sah nach unten und keuchte auf, als ihr Blick bis auf den Waldboden fiel. Dann schaute sie seitwärts, und ihr wurde plötzlich übel. Unter ihrem Gewicht gab die Brücke nach, und bei jedem Schritt rechnete sie damit, in die Tiefe zu stürzen. Leftrin legte seine Hand auf ihre, die noch immer auf seinem Arm ruhte. »Richtet Euren Blick auf die nächste Plattform«, riet er ihr mit tiefer, beruhigender Stimme. »Wenn Ihr erst einmal den rechten Takt gefunden habt, ist es, als stiege man eine Treppe hinab. Seht nicht hinunter und macht Euch keine Gedanken über das, was nicht da ist. Die Regenwildleute bauen so schon seit über hundert Jahren. Das sind unsere Straßen, denen könnt Ihr vertrauen.«
    Sein Tonfall war sachlich und nicht herablassend. Nur weil sie Angst hatte, dachte er nicht schlechter über sie. Vielmehr zeigte er Verständnis für ihre Besorgnis. Dadurch wurde es ihr leichter, seinen Rat zu beherzigen. Sie klammerte sich fester an seinen Arm und passte

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