Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
nehmt, wenn Ihr eine Nachricht an mich beifügt. Denkt daran, dass alle Vögel, die in meinen Taubenschlag zurückkehren, rote Reifen haben. Kim färbt seine Reifen noch nicht einmal, sondern nimmt einfaches Leder, dieser faule Dunghaufen.
Detozi
11 · Begegnungen
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Begegnungen
D as sumpfige Flussufer trocknete aus. In der braunen Fläche bildeten sich Risse und Sprünge. Als Sintara durch das graue, schlammige Wasser an Land watete, gab der Boden an manchen Stellen nach. Dadurch geriet sie ins Torkeln, und ihr wurde einmal mehr bewusst, dass Drachen keine Landgeschöpfe waren.
Nach ihrem Versuch, ein Bad zu nehmen, tropfte das Wasser von ihrem blauen Schuppenkleid, und sie hinterließ eine feuchte Spur. Sie breitete die Schwingen aus und schüttelte sie, sodass tausend winzige Tropfen umherstoben. Dann klappte sie die Flügel wieder ein. Vergeblich wünschte sie sich einen heißen Sandstrand, wo sie sich in der Sonne trocknen konnte, um anschließend ihre Schuppen und Krallen zu polieren, bis sie glänzten. In diesem Leben hatte sie noch nie den Luxus eines guten Staubbads gehabt, geschweige denn, dass sie sich ordentlich im Sand hätte abschmirgeln können. Sie war überzeugt, dass Staub und Sand sie vom Großteil der winzigen blutsaugenden Insekten befreit hätten, die sie und die anderen Drachen befallen hatten. Zwar putzte sie sich täglich, doch nur wenige folgten ihrem Beispiel. Solange die anderen befallen waren und sie auf engem Raum mit ihnen leben musste, hatte das Putzen wenig Sinn. Dennoch wollte sie dieses Ritual nicht aufgeben. Schließlich war sie eine Drachin und kein geistloser Salamander.
Der Wald, der den Uferstreifen auf einer Seite begrenzte, tauchte den Großteil des Strandes in immerwährenden Schatten. In den Jahren ihrer Gefangenschaft hatten die Drachen die freie Fläche vergrößert. Manche der umgebenden Bäume waren abgestorben, weil die Drachen ihre Klauen und Schuppen beim vergeblichen Versuch, sich vom Ungeziefer zu befreien, daran gerieben hatten. Manche Bäume hatten sie aber auch absichtlich zerstört, um das Gebiet, auf dem sie zu leben gezwungen waren, zu vergrößern. Doch einen Baum absterben zu lassen und ihn aus dem Weg zu räumen, waren zwei völlig verschiedene Dinge. Ein abgestorbener Baum ließ wohl seine Blätter fallen, sodass eine Spur mehr Licht zu den Drachen drang. Aber trotz vereinzelter Versuche ließen sich die riesigen Bäume auch nicht mit vereinten Kräften zu Fall bringen.
Wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, fiel für wenige Stunden Licht auf den Strand. Sintara musterte die vierzehn Drachen, die um sie herum ausgestreckt dalagen. Die meisten schliefen oder dösten zumindest. Solange es ging, saugten sie Licht und Wärme auf. An diesem Nachmittag gab es nichts anderes zu tun. Die besten Plätze zum Sonnenbaden hatten die großen Drachen für sich beansprucht. Die kleineren dösten, wo immer es ging, auch wenn die meisten mit Plätzen im Halbschatten vorliebnehmen mussten. Nur die allerkleinsten und schwächsten bekamen gar keine Sonne ab. Aber selbst die besten Plätze waren schwerlich bequem. Wenn der Morast trocknete, verwandelte er sich in Staub, der zum Niesen reizte und in den Augen und der Nase juckte. Immerhin war es warm und hell. Sintaras Knochen sehnten sich fast genauso sehr nach Licht und Wärme, wie ihr Bauch nach Futter.
Im Sonnenlicht funkelten die besser gepflegten Drachen. Kalo, der größte von allen, glänzte blau-schwarz. Er hatte den besten Sonnenplatz inne. Mit geschlossenen Augen ruhte sein Kopf auf den Vorderpranken. Er atmete langsam, und jedes Mal, wenn er Luft durch die Nüstern ausblies, entstand eine feine Staubwolke. Solange seine Schwingen an seinem Rücken lagen, sahen sie fast normal aus. Nur selten breitete er sie aus, aber dann erkannte man die verkümmerte Muskulatur.
Neben ihm bildeten Ranculos’ scharlachrot schimmernde Schuppen einen scharfen Kontrast zum Uferboden. Seine silberfarbenen Augen lagen verborgen unter den Lidern. Er war furchtbar missgestaltet, als hätte ihn jemand aus den Teilen dreier verschiedener Drachen zusammengesetzt. Waren seine Vorderbeine und Schultern noch mächtig, ließen seine Hinterbeine schon zu wünschen übrig, und sein Schwanz war lächerlich. Seine Schwingen hingen schief herab und wollten nicht einmal richtig am Körper anliegen. Wie erbärmlich.
Mit zusammengekniffenen Augen erkannte Sintara, dass Sestican sich lang ausgestreckt und die Flügel ausgebreitet
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