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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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fiel ihr ein, dass er ihr am Nachmittag zuvor Geschichten über die Navigation auf dem Fluss erzählt hatte, und wie schnell manche Fahrrinnen, die man im einen Monat noch befahren konnte, im nächsten bereits verschlammt sein konnten. Dabei hatte es ihr auf der Seele gebrannt, sich hervorzutun, und sie hatte wissend genickt und von einer Geschichte in einer alten Schriftrolle berichtet, in der erwähnt wurde, wie oft die Hafeneinfahrt des alten Kelsingra hatte ausgehoben werden müssen. Darauf hatte er geantwortet, dass er noch nie von einer solchen Stadt gehört hatte, was sie mit einem Schulterzucken abgetan und gemeint hatte, der Fluss habe sie bestimmt schon vor Ewigkeiten verschluckt.
    Sie sah Malta an, die eine kämpferische Haltung eingenommen hatte: leicht vorgebeugt und mit hoffnungsvollem Leuchten in den Augen. Zwar hatten sich die Kugeln wieder verteilt, aber Malta schien noch immer das Zentrum des gesamten Lichts zu sein. Wie konnte Alise ihr sagen, dass Kelsingra für sie nicht viel mehr als ein Name in einer alten Schriftrolle war? Hilflos sah sie sich um, und ihr Blick blieb – es mochte Zufall sein oder Vorsehung – an einem Wandteppich links von Malta hängen. Ein seltsamer Schauer erfasste sie. Langsam hob sie die Hand und deutete darauf. »Da ist Kelsingra.« Sie ging darauf zu, und mit jedem Schritt beschleunigte sich ihr Herzschlag. »Macht mir hier ein bisschen mehr Licht, bitte«, sagte sie, ohne daran zu denken, mit wem sie sprach oder wo sie war. Angesichts dieser Entdeckung hatte sie alles um sich herum vergessen.
    Als Antwort auf ihre Bitte sandte Malta ihr die Lichtkugeln. Die Lampen folgten nun Alise und schwebten über ihr, als sie schließlich stehen blieb. Mit den Kugeln direkt vor dem Wandteppich war es fast so, als schaue man durch ein Fenster auf eine gewebte Welt. Alles war darauf zu erkennen, denn der Künstler hatte die Perspektive absichtlich so verzerrt, dass er mehr Sehenswürdigkeiten unterbringen konnte. »Da«, sagte Alise, hob die Hand und deutete auf ein Detail. »Das muss der berühmte Kartenturm von Kelsingra sein. Nach dem, was ich gelesen habe, glaube ich, dass diese Kartentürme in mehreren der großen Städte errichtet wurden. In jedem Turm befand sich eine große Reliefkarte der Umgebung, und durch die Fenster, die nach allen Seiten gingen, sah man jeweils auf den dargestellten Kartenausschnitt. Weiter entfernte Orte wurden mit Symbolen angezeigt. Die Schriften deuten an, dass die Kartentürme den Elderlingen schnelles Reisen ermöglichten, aber es wird nirgends erklärt, wie das vonstattenging. Der Kartenturm in Kelsingra wird in mehreren Rollen erwähnt, was vielleicht ein Hinweis darauf ist, dass er wichtiger war als die anderen.«
    Ihr war, als höre sie sich selbst wie aus der Ferne. Sie hatte einen dozierenden Tonfall angeschlagen. In ihren Tagträumen davon, dass ihre Gelehrsamkeit und ihr Wissen einmal anerkannt und geschätzt sein würden, hatte sie sich in eben jenem Tonfall sprechen hören. Nie jedoch hätte sie sich träumen lassen, dass sie einmal einen solchen Vortrag in Cassarick, und dann auch noch in der Gegenwart einer Elderlingsfrau halten würde. Sie ließ die Hand ein Stück wandern und zeigte auf ein anderes Detail. »Wie Ihr seht, ist der Kartenturm Teil eines eindrucksvollen Gebäudes. Der Schmuckfries an der Fassade stellt eine Elderlingsfrau beim Pflügen mit einem Ochsengespann dar. Die angrenzende Wand zeigt eine Drachenkönigin, wie ihr hier sehen könnt. Ich vermute, dass das Zusammentreffen der beiden Motive kein Zufall ist, sondern dass beides für die Stadt von genauso grundlegender Bedeutung war, wie die beiden Mauern für dieses wichtige Gebäude. Was auf den anderen beiden Wänden abgebildet war, können wir nur raten.
    Beachtet die breiten und flachen Stufen, die zu den großen Eingangstoren hinaufführen. Menschen oder Elderlinge brauchten weder solche Treppen noch derart überdimensionierte Türen. Für mich steht fest, dass dieses Gebäude, welches in den Schriften als die Zitadelle der Urkunden bezeichnet wird, sowohl von Elderlingen als auch von Drachen betreten wurde.«
    »Aber wo ist es? Wo ist Kelsingra?«, unterbrach Maltas tiefe, unruhige Stimme ihren Vortrag.
    Langsam wandte sich Alise zu der Elderlingsfrau um. »Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Soweit ich weiß, wurde keine Karte des Landes, das wir heute die Regenwildnis nennen, gefunden. Doch aufgrund der schriftlichen Quellen, die wir besitzen, lässt

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