Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
große tote Fische, das dürfte das Einfachste für sie sein. Meine Heeby mag Fische, und ihr ist es ziemlich egal, ob sie tote oder lebende bekommt.«
»Heeby. Ist das ihr wahrer Drachenname?« Plötzlich war Tats hinter Rapskal erschienen, mit geschultertem Rucksack. Er hatte sich sogar schon rasiert. Von daher musste er schon eine Weile auf gewesen sein. Tats rasierte sich nicht oft, nur ungefähr einmal die Woche. Thymara hatte ihn einmal dabei beobachtet, seit sie aus Trehaug aufgebrochen waren. Anscheinend war er noch nicht geübt darin, denn er hatte kauernd einen kleinen Spiegel auf den Knien balanciert, während er sich vorsichtig mit einem Klappmesser die Stoppeln weggeschabt hatte. Ihn dabei zu ertappen, hatte sie überrascht, und da erst war ihr aufgefallen, dass er für sie noch immer ein Junge und kein Mann war. Sie sah zu Rapskal hinüber. Vermutlich sah sie in ihnen allen noch Jungs – mit Ausnahme von Greft. Da fiel ihr auf, dass Rapskal wahrscheinlich beinahe so alt war wie sie selbst. Also überhaupt kein Junge mehr. Bis er den Mund aufmachte.
»Nein. Ich glaube nicht, dass Heeby einen Namen hatte, bevor ich zu ihr kam. Aber sie mag mich, und sie mag auch den Namen, den ich ihr gegeben habe, von daher ist das wahrscheinlich in Ordnung.« Rapskal erstarrte unvermittelt zur Bewegungslosigkeit. Dann lächelte er genussvoll. »So ein Mist! Ich habe zu laut über sie nachgedacht und sie geweckt. Ich beeile mich lieber mit dem Essen und gehe zu ihr. Sie hat Hunger. Und ich muss ihr noch einmal sagen, dass wir heute zu unserer Reise aufbrechen. Sie ist etwas vergesslich.«
Er knüllte seine Decke zusammen und stopfte sie in den Rucksack. Dann sah er sich noch einmal an seiner Schlafstatt um, entdeckte sein zweites Hemd und quetschte es auch noch in seinen Ranzen. »Zeit fürs Frühstück«, sagte er und ging in Richtung Lagerfeuer davon. Tats und Thymara sahen ihm nach.
»Ich glaube, Rapskal und Heeby passen ziemlich gut zusammen«, stellte Tats mit einem Lächeln fest. Er bückte sich und hob eine Socke auf, die Rapskal vergessen hatte. »Ich würde mir nur wünschen, dass er nicht so achtlos wäre«, setzte er ernsthafter hinzu.
»Gib sie mir. Ich bringe sie ihm.«
»Nein, ich habe sie doch schon in der Hand«, gab Tats zurück. »Ich gehe sowieso in die Richtung. Du hast recht, wir sollten unsere letzte unbeschwerte Mahlzeit genießen.«
Thymara verstaute ihre fein säuberlich zusammengelegte Decke in ihrem Rucksack und warf noch einmal einen Kontrollblick auf das Lager. Nein, sie hatte alles eingesteckt. Die anderen setzten sich ebenfalls in Bewegung, und ihr entging nicht, dass Greft der Erste in der Schlange vor dem Topf mit Grütze war. Sie hatte ihm ein paarmal beim Essen zugeschaut. Er aß schnell und würde sich eine zweite Portion holen, bevor einige andere überhaupt ihre erste hatten. So sehr sie seine schlechten Manieren ärgerten, grübelte sie doch darüber nach, ob es nicht ein Fehler war, es ihm nicht gleichzutun. In letzter Zeit hatten ein paar der Jungs angefangen, seine Essweise zu übernehmen. Kase und Boxter ahmten ihn ohnehin in allen Dingen nach. Mit einem unguten Gefühl beobachtete sie, wie sie ihm mit überschwappenden Näpfen folgten. Und als Greft sich zum Essen setzte, ließen sie sich links und rechts von ihm nieder. Erstaunt stellte sie fest, dass Nortel ein blaues Auge und ein zerschrammtes Gesicht hatte. »Was ist denn mit dem passiert?«, fragte sie.
»Ist in eine Rauferei mit den anderen Jungs geraten«, entgegnete Tats knapp. »Was wird denn nun aus den beiden hüterlosen Drachen?« Diese Frage lenkte sie von Nortels Anblick ab.
»Was?«
»Wir haben noch zwei Drachen ohne Hüter. Das ist dir doch bestimmt aufgefallen.«
Sie stellten sich mit ihren Näpfen hinter Nortel und Sylve an. Sogleich drehte sich das Mädchen um, um sich in ihr Gespräch einzumischen. »Der Silberdrache und der Schmutzige«, ergänzte sie.
»Ich glaube, der wäre kupferrot, wenn man ihn waschen würde«, meinte Thymara. Natürlich waren sie ihr aufgefallen. Sie hatte ja beinahe einen von ihnen erwählt, als sie den Eindruck gewonnen hatte, dass Himmelspranke sie nicht als Hüterin wollte. »Die beiden sind in einem schlechten Zustand«, fügte sie hinzu, und dann zwang sie sich, auszusprechen, was alle dachten. »Ohne Hüter, die sich um sie kümmern, werden sie auf dieser Reise nicht lange durchhalten. Ich wäre mir noch nicht einmal sicher, dass sie uns folgen, wenn wir
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