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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Klinge mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft in das Schulterbein des Elchs rammen, um den Lauf vom Körper zu trennen. Endlich löste er sich, aber so unvermittelt, dass Thymara nach hinten fiel, auf dem Rücken landete und unter dem Elchbein begraben wurde. Bevor sie das Messer in die Scheide steckte, wischte sie es an ihrem Hosenbein ab. Anschließend säuberte sie notdürftig ihre Hände und strich sich schweißnasse Haarsträhnen aus der geschuppten Stirn. Die Schuppen fühlten sich enger und kompakter an. Offenbar wuchsen sie. In ein paar Monaten würde sie womöglich nicht einmal mehr an der Stirn schwitzen. Kurz rätselte sie, wie sie wohl aussah, bevor sie den Gedanken verdrängte. Da sie ihr Aussehen ohnehin nicht ändern konnte, war es am besten, gar nicht erst daran zu denken.
    Sie schob das Elchbein zur Seite und stand ächzend und mit schmerzendem Rücken auf. Vor dem Weg zurück zum Ufer durch das Dickicht graute ihr. Noch einmal blickte sie zu dem toten Elch. »Ein Bein ist erledigt, fehlen noch drei«, sagte sie mit bitterer Ironie.
    »Und der Kopf. Vergiss den Kopf nicht.« Grefts Worte erklangen nur einen Sekundenbruchteil, bevor er leichtfüßig wie eine Eidechse neben ihr landete. Er sah ihre Beute an und pfiff vor Überraschung leise durch die Zähne. Als er den Blick auf Thymara richtete, leuchteten seine Augen vor Bewunderung. »Du hast nicht geprahlt, als du behauptet hast, dass du eine Jägerin bist. Ich gratuliere dir, Thymara! Wenn mich jemand gefragt hätte, hätte ich gesagt, dass ein Mädchen wie du so etwas nicht fertigbringt.«
    »Danke«, gab sie unsicher zurück. Lobte er sie oder wollte er andeuten, dass sie nur Glück hatte? Ein bisschen gereizt fügte sie hinzu: »Dem Bogen ist es egal, wer die Sehne spannt. Jeder, der stark genug ist und zielen kann, ist in der Lage, ein Tier zu töten.«
    »Das ist wahr. Unzweifelhaft wahr, denn der Beweis liegt vor unserer Nase. Damit wollte ich nur sagen, dass ich es zuvor nie so gesehen habe.« Er fuhr sich mit der Zunge über die schmalen Lippen, und als er lächelte, trat ein Leuchten in seine blauen Augen. Obwohl sein Blick anerkennend war, fand sie es beunruhigend, wie er sie musterte. Seine Stimme klang herzlich und zugleich schwang Wehmut darin mit. »Thymara, du hast allen Grund, auf diesen Fang stolz zu sein.« Er deutete auf seine Hüfte, wo seine Beute hing, deren Schwanzfedern seitlich abstanden. »Ich wünschte, ich hätte ebenso viel Erfolg gehabt. Aber es wird Abend, und ich habe nichts als zwei Vögel erlegt.«
    »Noch haben wir ein paar Stunden Tageslicht vor uns«, erwiderte Thymara. »Und die sollte ich schleunigst nutzen, sonst verliere ich das Fleisch. Wir sehen uns im Lager, Greft.« Sie kniete nieder und wickelte hastig ein Stück Seil um das Elchbein, ein Stück oberhalb des Hufs. Dann band sie eine Schlinge, die sie sich über die Schulter werfen konnte. Sie spürte, dass Greft die ganze Zeit über hinter ihr stand und sie schweigend beobachtete. Während sie sich erhob, steckte sie den Arm durch die Schlinge. »Wir sehen uns im Lager«, wiederholte sie.
    Kaum war sie zwei Schritte gegangen, da fragte er: »Den Rest lässt du einfach hier liegen?«
    Sie wollte nicht zu ihm zurückblicken, wollte aber auch nicht, dass er merkte, dass sie ein wenig Angst vor ihm hatte. Er war größer als sie und hatte kräftige Muskeln. Zwar hatte er sie noch nie bedroht, aber von seiner penetranten Aufmerksamkeit wurde ihr unbehaglich. Es war ihr nicht geheuer, mit ihm allein zu sein. Am schlimmsten war, dass Thymara unter der Furcht vor ihm noch eine tiefere Strömung spürte: Sie fühlte sich von ihm angezogen. Auf seine eigene, von der Regenwildnis gezeichnete Art war er schön. Das Glänzen seiner Augen und das Spiel selbst des spärlichen Dämmerlichts auf seinen Schuppen machten, dass sie ihn immerzu anschauen wollte. Doch in der Art, wie er ihre Blicke erwiderte, lag etwas, das eigentlich verboten war. Seine Gegenwart wühlte sie auf eine Weise auf, die gefährlich für sie war. Es war am besten, wenn sie sich von ihm fernhielt.
    Sie bemühte sich, nichts davon in ihrem Blick und ihrer Stimme durchscheinen zu lassen. Beiläufig sagte sie: »Tats und ich kommen noch einmal zurück und holen es.«
    Greft straffte sich ein wenig und sah sich schnell um. »Tats jagt mit dir? Wo ist er?«
    »Wahrscheinlich ist er noch am Fluss.« Sie hätte nicht antworten sollen, fiel ihr ein, denn plötzlich fühlte sie sich noch mehr

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