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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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einer unbequemen Steige, auf der »Stockfisch« zu lesen war. Auf den Knien ruhte sein Schreibbrett mit Papier und Tintenfass. Flink bewegte sich die Feder auf dem Papier. Sein vornehmes Jackett hatte die Farbe einer Blaufliege, und sein weißes Hemd war am Hals offen. Die Säume der Hemdsärmel hatte er über die Jackettstulpen geschlagen, damit sie die schlanken Handgelenke und Finger nicht beim Schreiben behinderten. Auf seiner Stirn zeigte sich eine steile Falte, und er presste konzentriert die Lippen zusammen. Anscheinend diktierte Alise ihm den nächsten Satz. »… die Wirbelsäule brechen oder durchbeißen, um es schnell zu töten«, hörte sie gerade noch.
    Als Himmelspranke das Fleisch witterte, drehte sie den Kopf und sprang auf die Füße. Damit wandten sich gezwungenermaßen auch Alise und Sedric zu ihr um. Ohne zu grüßen, stapfte Himmelspranke auf Thymara zu und fiel über das Fleisch her. Alises Mund formte ein erstauntes »Oh«, bevor sie vergnügt loslachte, als beobachtete sie ihr Lieblingskind beim Verzehren einer Süßigkeit. »Sie ist schon wieder hungrig!«, rief sie Thymara zu und erwartete offenbar, dass die Hüterin ihre Freude teilte.
    »Sie ist immer hungrig«, gab Thymara zurück und bemühte sich, nicht sauer zu klingen. Von der fressenden Drachin meinte sie, den Widerhall von Zustimmung zu empfangen. Immerhin schien Sedric erfreut, sie zu sehen. Sein Blick hellte sich auf, und seine eben noch zusammengepressten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Ich bin so froh, dass du endlich hier bist. Vorhin habe ich schon überall nach dir gesucht. Das geht einfach viel schneller, wenn du übersetzt.«
    Sie enttäuschte ihn nur ungern. »Ich kann nicht. Ich meine, ich habe nur einen Teil des Fleisches mitgebracht. Ich muss Tats finden, damit er mir hilft, den Rest herbeizuschaffen, bevor Aasfresser es mir wegschnappen.« Sie verdrängte die Vorstellung, dass gerade ein zweibeiniger Aasfresser Teile des Kadavers abhackte. Das wird er nicht wagen, dachte sie. Sie waren eine zu kleine Gruppe, als dass sich jemand erdreisten könnte, andere zu bestehlen. Das würde niemand durchgehen lassen.
    Oder doch?
    Sedric sagte etwas und sah sie erwartungsvoll an, da er auf eine Antwort wartete. Doch sie ging über ihn und sein Anliegen hinweg, weil ihr vor Sorge etwas mulmig im Bauch wurde. »Ich muss Tats suchen und mit ihm das restliche Fleisch holen«, sagte sie hastig. Sie ließ ihn stehen und ging auf das Ufer und die anderen Drachen zu.
    Alise rief ihr etwas nach. »Rapskal hat dich gesucht!«
    Thymara nickte, setzte aber ihre Schritte fort.
    Tats war nicht bei Fente. Die kleine Grüne döste noch immer, und als Thymara sie wecken wollte, um sie nach Tats zu fragen, schnappte das Biest ernsthaft nach ihr. Thymara machte einen Satz zurück. Unbeschadet eilte sie davon. Voller Unbehagen fragte sie sich, ob die Drachin sie wohl gefressen hätte, wenn Blut geflossen wäre. Von Himmelspranke wusste sie, dass die grüne Königin dafür berüchtigt war, boshaft zu werden, wenn man sie provozierte. Thymara nahm sich vor, mit Tats darüber reden, falls sie ihn fand.
    Sie entdeckte ihn mit Sylve bei dem kleinen Silberdrachen. Thymara überkam ein schlechtes Gewissen, vermischt mit Ärger. Sie hatte gesagt, dass sie sich um den Silberdrachen kümmern würde, und Sylve hatte ihre Hilfe angeboten. Das hatte sie nur getan, weil Tats und Jerd verkündet hatten, dass sie sich gemeinsam des Kupferdrachens annehmen würden. Doch sie hatte wenig mehr gemacht, als ihn jeden Abend von Blutsaugern an den Augen und den Nüstern zu befreien. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, ihm etwas von dem Fleisch anzubieten, das sie zurückgebracht hatte. Sylve war mit seinem Schwanz beschäftigt. In der Nähe qualmte ein spärliches Feuer auf einem Grasbüschel. Darauf stand ein Kessel übel riechender Suppe.
    »Wie geht es ihm?«, fragte sie beklommen, als sie näher trat.
    »Es ist wie befürchtet«, sagte Sylve. »Es sieht so aus, als hätte er den Schwanz ins Flusswasser fallen lassen. Und nicht nur einmal, dem Anschein nach. Die Wunde ist entzündet.« Sie nahm das Tuch weg, das sie eben hatte um die Verletzung wickeln wollen, und Thymara zuckte zurück. Sie fragte sich, ob ihre letzte Behandlung ihm mehr geschadet als genutzt hatte. Wie schmerzhaft es sein musste, wenn das ätzende Flusswasser an ungeschütztes Fleisch gelangte. Sie runzelte die Stirn, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass er Schmerzensschreie

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