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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nicht jetzt, Thymara, aber am Ende wirst du herausfinden, dass du und ich einander ähnlicher sind als den anderen. Ich werde dich nicht zu dieser Erkenntnis drängen, denn wir haben viel Zeit vor uns.«
    Dann kniete er sich neben dem Elch nieder und zog sein Messer. Ohne um Erlaubnis zu fragen, fing er an, einen der muskulösen Hinterläufe abzutrennen. Mit tiefer Stimme, die manchmal heiser wurde, wenn er sich anstrengte, sprach er beim Arbeiten weiter. Wut stieg in ihr empor, doch er sah nicht zu ihr herüber und er hatte einen sachlichen Tonfall angeschlagen. »Du bist losgezogen, um dir selbst eine Zukunft aufzubauen. So wie wir alle! Du hast kein Haus und keinen Besitz, wie deine Familie es einst hatte. Du schaffst dir dein eigenes Glück und bist dabei auf dich alleine gestellt. Du gestaltest deine Zukunft. Dafür brauchst du letztlich einen Gefährten, der seinen Teil dazu beiträgt. Irgendwann kannst du deine Zeit nicht mehr nur mit Trotteln und Außenseitern verplempern. Du kannst es dir nicht leisten, solchen Ballast in deine Zukunft mitzuschleppen. Mir ist klar, dass du jetzt wütend auf mich bist, weil ich solche Sachen sage. Aber ich muss es dir nicht beweisen. Die Regenwildnis wird das erledigen. Ich brauche nur abzuwarten.«
    Heftiger, als sie beabsichtigt hatte, fuhr sie ihn an: »Das ist meine Beute. Finger weg.«
    Er schnitt weiter. »Thymara, hast du mir überhaupt zugehört? Wir müssen an die Zukunft denken und dürfen uns nicht an eine Vergangenheit klammern, die nichts mehr mit uns zu tun hat. Frage dich ganz ehrlich. Warum bist du so versessen darauf, zu Tats zu laufen und dir von ihm helfen zu lassen?«
    »Ich mag ihn. Er hat mir auch früher schon geholfen. Er ist mein Freund. Wenn er ein solches Tier erlegt hätte, würde er es mit mir teilen.«
    Noch immer hantierte er mit seinem Messer. Sie wusste, dass es bei der dicken Elchhaut rasch stumpf werden würde. Kurz sah er zu ihr auf. In seinem Blick lag Interesse, aber kein Groll. »Das würde er tun? Oder würde er es mit Jerd teilen? Mach die Augen auf. Du hast doch freie Wahl. Du könntest mich mögen. Ich könnte dir viel mehr helfen als Tats, denn letztendlich sind wir beide uns viel ähnlicher als du und er. Ich könnte dein Freund sein. Ich könnte mehr als dein Freund sein.« Er hob den Blick, sodass ihre Augen sich trafen. Bei den letzten Worten war seine Stimme tiefer und leiser geworden.
    Thymara verabscheute ihre Reaktion darauf. Wie ihr Bauch sich zusammenzog und ihr ein Schauer über den Rücken lief. Ein stattlicher älterer Mann hatte ihr eben praktisch ins Gesicht gesagt, dass er sie wollte. Ein Mann, kein Junge. Ein gestandener Mann, der eine Rolle als Anführer unter den Hütern beanspruchte. »Tats ist mein Freund«, brachte sie heraus. Sie wandte sich ab, weil sie nicht sehen wollte, ob er ihr zuhörte. »Und das ist mein Fleisch. Lass es in Ruhe.« Sie weigerte sich, an seine Worte zu denken, an irgendetwas von dem zu denken, was er gesagt hatte. Jerd? Weiß Greft etwas über Jerd und Tats, das ich nicht weiß? Ich darf gar nicht daran denken. Mit dem Jagdmesser in der Hand warf sie sich die Schlinge um die Schulter und trottete davon. Ohne ein weiteres Wort ließ er sie gehen. Allerdings kam sie nicht schnell voran, da sie sich an niedrigem Buschwerk und herabhängenden Zweigen vorbeizwängen musste. Sie versuchte, die sumpfigen Stellen zu vermeiden und sich von Erhebung zu Erhebung zu hangeln. Das war nicht leicht.
    Nach kurzer Zeit begann das Seil, an ihrer Schulter einzuschneiden. Das Elchbein schien an jedem Stamm und jeder Wurzel auf ihrem Weg hängen zu bleiben. Jedes Mal musste sie kräftig daran reißen, damit es wieder loskam. Als sie endlich in den weniger dichten Bereich kam, der das Ufer ankündigte, war sie verschwitzt, zerkratzt und zerstochen. Dann gelangte sie in die von großem, grobem Schilfgras bewachsene Senke und kämpfte sich zu Himmelsprankes Schlafplatz weiter. Sie würde erst die Drachin füttern und danach Tats suchen, um ihn um Hilfe zu bitten. Sie lächelte vor sich hin, wenn sie sich Himmelsprankes Überraschung über eine zweite deftige Fleischmahlzeit am Tag vorstellte.
    Aber als sie ihre Drachin erblickte, musste sie feststellen, dass diese nicht allein war. Auch wenn sie sich bequem im hohen Gras ausgestreckt hatte, schlief sie nicht. Neben ihrem Kopf saß die Frau aus Bingtown in einer weiten Hose und einer hochgeschlossenen Baumwollbluse auf einer Holzkiste. Daneben hockte Sedric auf

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