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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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durchaus verstanden: Damals hatte ihre Familie die Hochzeit ihrer älteren Schwester arrangiert und bezahlt. Damit blieb nicht mehr genug Geld übrig, um eine weitere Tochter auszustatten. Als Alise vor drei Jahren dann endlich der Gesellschaft der Händler präsentiert worden war, hatte kein Junggeselle sie aus der schmetterlingsbunten Schar jüngerer Debütantinnen herausgepickt. Seither waren dem Sortiment heiratsfähiger Mädchen in Bingtown drei Jahrgänge von Frauenzimmern hinzugefügt worden, und mit jedem Jahr schwanden Alises Hoffnungen weiter, dass jemand ihr den Hof machen und um ihre Hand anhalten würde.
    Der Krieg mit Chalced hing über den letzten Jahren wie ein Schleier. An die Nächte voller Feuer, Rauch und Schreie erinnerte Alise sich nur mit Grauen. Nachdem chalcedanische Schiffe in den Hafen eingedrungen waren, hatten sie die Lagerhäuser und den halben Marktplatz niedergebrannt. Bingtown, die sagenhafte Händlerstadt voller Wunder, von der es hieß, dass es dort alles zu kaufen gab, was man sich nur vorstellen konnte, hatte sich in qualmende Ruinen und feuchte Asche verwandelt. Wenn die Drachin Tintaglia ihnen nicht zu Hilfe gekommen wäre, wären Alise und ihre gesamte Familie heute wahrscheinlich irgendwo in Chalced, mit einer Sklaventätowierung gebrandmarkt. Tatsächlich aber waren die Eindringlinge zurückgeschlagen worden, und die Händler hatten ein Bündnis mit den Piraten-Inseln geschlossen. Ihr Mutterland Jamaillia war zur Vernunft gekommen und hatte eingesehen, dass Chalced kein Verbündeter, sondern eine Nation plündernder Räuber war. Heute war Bingtowns Hafen von den Eindringlingen befreit, und man hatte begonnen, die Stadt wiederaufzubauen. Schleppend war das Leben zur Normalität zurückgekehrt. Eigentlich hätte Alise dankbar sein müssen, dass das Haus ihrer Familie nicht den Flammen zum Opfer gefallen war, und dass ihre Ländereien, einige Höfe, auf denen vor allem Wurzelgemüse angebaut wurde, nun für Nahrung sorgten, die sich großer Nachfrage erfreute.
    Doch in Wahrheit war sie nicht besonders dankbar dafür. Nicht, dass sie in einer halb abgebrannten Baracke oder im Straßengraben hätte hausen wollen. Das nicht. Aber einige Furcht einflößende, aufregende Wochen lang hatte sie zu hoffen gewagt, ihrer Rolle als dritte Tochter einer unbedeutenden Bingtown-Familie entkommen zu können. In der Nacht, in der Tintaglia vor den ausgebrannten Trümmern der Halle der Händler gelandet war und das Geschäft ausgehandelt worden war, als sie der Stadt ihren Schutz versprochen und den Händlern im Gegenzug das Versprechen abgenommen hatte, den Seeschlangen und den jungen Drachen beim Schlüpfen zu helfen – damals war Alise das Herz aufgegangen. Sie war dabei gewesen. Mit dem Schal fest um die Schultern gewickelt hatte sie in einer dunklen Ecke gestanden und geschlottert und den Worten der Drachin gelauscht. Sie hatte die schimmernde Haut dieses Geschöpfs gesehen und seine kreiselnden Augen, und ja, Tintaglias Stimme und ihr Zauber hatten sie voll in ihren Bann geschlagen. Sie hatte sich aber auch nicht dagegen gewehrt. Denn sie liebte die Drachin und alles, wofür sie stand. Alise konnte sich kein edleres Ziel vorstellen, als den Rest ihres Lebens darauf zu verwenden, die Geschichte der Drachen und der Elderlinge aufzuzeichnen. Was sie bereits darüber wusste, würde sie mit eigenen Notizen über die glorreiche Rückkehr ergänzen. In jener Nacht, in jenem Moment hatte Alise plötzlich erkannt, dass sie einen Platz und eine Aufgabe in der Welt hatte. Inmitten der Flammen und der Kämpfe war ihr alles möglich erschienen. Selbst, dass die Drachin Tintaglia sie eines Tages anschauen und ansprechen und ihr vielleicht sogar dafür danken würde, dass sie sich einer solchen Arbeit widmete.
    In den darauffolgenden Wochen, während derer Bingtown wiederaufgebaut wurde und mühsam zur Normalität zurückfand, glaubte Alise noch immer, dass sich der Horizont ihres Lebens erweitert hatte. Die Tätowierten, befreite Sklaven, hatten sich unter die Drei-Schiffe-Leute und unter die Händler gemischt, und alle halfen mit, um Bingtowns Wirtschaft und die Gebäude wiederaufzubauen. Die Einwohner – selbst Frauen – waren aus ihren gewohnten Kreisen herausgetreten und hatten mit angepackt. Was auch immer getan werden musste, jeder trug etwas dazu bei. Zwar war Alise bewusst, dass sie den Krieg eigentlich als etwas Schreckliches und Zerstörerisches verabscheuen sollte, aber dennoch war er das

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