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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war aus, es war vorbei, sie war fertig damit. Lass fahren dahin. Es hat nicht sollen sein. Während ihres kurzen Tagtraums war ihr Blick zum Fenster gewandert. Ohne wirklich etwas wahrzunehmen, hatte sie in den Rosengarten hinausgestarrt, der in voller Blüte stand. Er sah genauso aus wie in jedem anderen Sommer auch, dachte sie stumpf. Nichts änderte sich. Mit rauer Kehle zwang sie sich zu sprechen. »Ich schmolle nicht, Mutter.«
    »Das freut mich. Für uns beide.« Ihre Mutter räusperte sich. »Er ist ein feiner Mann, Alise. Selbst wenn er keine so günstige Partie wäre. Dann würde ich das trotzdem von ihm sagen.«
    »Ein besserer Mann, als du gedacht hättest. Besser, als ich es verdient habe.«
    Drei Herzschläge lang herrschte Schweigen. Dann erwiderte ihre Mutter schroff: »Lass ihn nicht warten, Alise.« Im Hinausgehen schleifte ihr langer Rock sacht über die Dielen.
    Alise war nicht entgangen, dass ihre Mutter ihr nicht widersprochen hatte. Alise war es bewusst, ihren Eltern war es bewusst und ihren Geschwistern ebenso. Doch bis zu diesem Augenblick hatte es niemand laut ausgesprochen. Hest Finbok war eine zu gute Partie für sie. Es ergab überhaupt keinen Sinn, dass der Erbe einer der bedeutendsten Familien in Bingtown die gewöhnliche mittlere Tochter der Kincarron-Händler heiraten wollte. Auf eigentümliche Weise empfand Alise es als befreiend, dass ihre Mutter ihrer Aussage nicht widersprochen hatte. Und sie war stolz, dass sie es ohne beleidigten Tonfall gesagt hatte. Ein bisschen traurig, dachte sie, während sie die Zeichenkohle in ein kleines Silberetui legte und ihre Finger dabei wieder beschmutzte. Ein bisschen traurig, weil ihre Mutter nicht einmal versucht hatte, ihr weiszumachen, dass sie einen derart feinen Mann durchaus verdient hatte. Auch wenn es eine Lüge gewesen wäre, kam es ihr so vor, als hätte eine ordentliche Mutter etwas Derartiges sagen müssen. Und sei es nur, um ihrer am wenigsten ansehnlichen Tochter gegenüber höflich zu sein.
    Alise hatte sich den Kopf zerbrochen, wie sie ihrer Mutter ihr mangelndes Interesse an Hest Finbok erklären sollte. Denn so viel war Alise klar: Wenn sie ihrer Mutter gesagt hätte: »Es ist zu spät. Meine Mädchenträume sind gestorben, und die Träume, die ich jetzt habe, gefallen mir besser«, dann wäre ihre Mutter aus allen Wolken gefallen. Aber es war die Wahrheit. Wie jede junge Frau hatte sie einst von Rosen und Küssen und einem galanten Verehrer geträumt, der nicht auf die Größe ihrer Aussteuer achtete. Langsam waren diese Träume verwelkt, waren von Tränen und Scham erstickt worden. Und Alise hatte keine Lust, sie wiederzubeleben.
    Als auch ein Jahr, nachdem sie in die Gesellschaft eingeführt worden war, kein Mann Interesse hatte zeigen wollen, hatte Alise sich allmählich in ihr Schicksal gefügt und sich auf eine Zukunft als alte Jungfer vorbereitet. Sie spielte auf der Harfe, vermochte exzellent Spitzen zu klöppeln, ihre Süßspeisen gerieten sehr gut, und sie besaß sogar ein in seiner Schrulligkeit äußerst passendes Steckenpferd. Schon lange bevor Tintaglia ihren Traum geweckt hatte, hatte sie Wissen über Drachen gesammelt und dabei auch viel über die Elderlinge erfahren. Irgendwie hatte Alise es geschafft, jede Schriftrolle, die in Bingtown zu einem der beiden Themen existierte, zu lesen. Entweder sie hatte sie gekauft oder lange genug ausgeliehen, um sie abzuschreiben. Mittlerweile war sie der Überzeugung, dass sie die vollständigste Bibliothek mit Texten zu den beiden alten Völkern besaß, die es in der Stadt gab. Vieles davon hatte sie mühsam eigenhändig kopiert.
    Neben diesem hart erarbeiteten Wissen hatte sie sich den Ruf einer Exzentrikerin erworben, den nicht einmal eine stattliche Mitgift abzumildern vermochte. Bei der mittleren Tochter einer weniger wohlhabenden Händlerfamilie war dies ein unverzeihlicher Makel. Doch sie scherte sich nicht darum. Die Studien, die sie aus einer Laune heraus begonnen hatte, hatten von ihrer Vorstellungskraft vollkommen Besitz ergriffen. Ihr Wissen über Drachen war längst nicht mehr nur eine Grille. Inzwischen war sie eine Gelehrte, eine Historikerin, die sich alles selbst beigebracht hatte. Jeder Schnipsel, der von den Drachen oder den Elderlingen, von denen man sagte, dass sie vor Urzeiten an der Seite der riesigen Bestien gelebt hatten, Zeugnis gab, wurde von ihr gesammelt, katalogisiert und verglichen. Man wusste so wenig über sie, obwohl ihre Geschichte aufs

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