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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Bescheid wissen. Ich glaube, dass dies meine Bestimmung ist.« Das war es. Damit sollte ihm eigentlich deutlich werden, dass sie keine passende Tanzpartnerin für ihn war.
    »Wirklich?«, hatte er einigermaßen ernsthaft gefragt. Sie spürte den Druck seiner Hand im Rücken, mit dem er sie überaus elegant in eine Drehung führte.
    »Ja, das glaube ich«, hatte sie erwidert, womit die belanglose Unterhaltung beendet war. Doch unerklärlicherweise hatte er sie erneut um einen Tanz gebeten, und während er sie durch die letzten Takte des Abends führte, lächelte er sie schweigend an. Als die Schlussakkorde verklangen, hielt er ihre Hand noch einen Augenblick zu lang, bevor er ihre Finger entließ. Dann war es an ihr, sich umzuwenden und zurück zu dem Tisch zu gehen, an dem ihre vor Aufregung atemlose und puterrote Mutter auf sie wartete.
    Während des gesamten Heimwegs in der Kutsche hatte Alise verwirrt gelauscht, wie ihre Mutter triumphierte. Als sie am nächsten Tag Blumen bekam und Hest sich mit einer Karte für die Tänze bedankte, hatte sie erst geglaubt, er wolle sie auf den Arm nehmen. Doch nun, drei Monate später, nach weiteren neunzig Tagen, während derer er sie unablässig mit seiner vorsichtigen, sorgsam abgewogenen Werbung belagert hatte, hatte sie noch immer keine Antwort darauf. Was sah Hest Finbok, einer der gefragtesten Junggesellen Bingtowns, nur in ihr?
    Alise musste sich eingestehen, dass sie absichtlich trödelte. Mit finsterer Miene räumte sie ihre Skizzen und Aufzeichnungen weg. Sie hatte eben mit drei verschiedenen Schriftrollen gleichzeitig gearbeitet und versucht herauszufinden, wie ein Elderling tatsächlich ausgesehen hatte. Ihr war klar, dass sie an diesem Nachmittag nicht würde weiterarbeiten können. Mit einem Seufzer trat sie vor den Spiegel und vergewisserte sich, dass Gesicht und Hände nicht mit Zeichenkohle verschmiert waren. Doch es war alles in Ordnung. Kurz vertiefte sie sich in den Anblick ihrer eigenen Augen. Graue Augen. Weder schwarze Augen, die einen gefangen nahmen, noch mildes Blau oder Jadegrün. Grau wie Granit, dazu kurze Wimpern über einer kurzen, geraden Nase und einem breiten Mund mit vollen Lippen. Mit ihrem gewöhnlichen Gesicht hätte sie leben können, wenn es nicht mit Sommersprossen übersät gewesen wäre. Denn die Sommersprossen waren nicht wie bei manchen anderen Mädchen neckisch auf die Nase getupft. Nein, bei ihr waren sie gleichmäßig übers ganze Gesicht und selbst noch über die Arme verteilt, wie auf einer gesprenkelten Eierschale. Sie verblassten nicht einmal mit Zitronensaft, und sobald Alise in die Sonne kam, wurden sie noch kräftiger. Kurz überlegte sie, ob sie die Sommersprossen mit Puder kaschieren sollte, entschied sich dann aber dagegen. Schließlich war sie, wie sie nun einmal war, und sie wollte weder Hest noch sich selbst etwas in die Tasche lügen, indem sie sich mit Schminke und Puder bemalte. Sie zupfte an ihrem hochgesteckten roten Haar und strich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Dann brachte sie noch einen Moment damit zu, ihren Kragen zu glätten, bevor sie ihr Zimmer verließ und die Treppe hinunterging.
    Hest erwartete sie im Salon. Ihre Mutter unterhielt sich gerade mit ihm darüber, wie vielversprechend die Rosen dieses Jahr aussahen. Neben ihm auf einem niedrigen Tisch stand ein Silbertablett mit einer Kanne und ein paar Tassen aus blassblauem Porzellan darauf. Aus dem Kännchen drang dampfend der feine Duft von Minztee und erfüllte die Luft. Alise rümpfte die Nase, denn sie hatte für Minztee nichts übrig. Dann zwang sie sich zu einem freundlichen Lächeln, hob das Kinn und rauschte mit einem anmutigen »Guten Morgen, Hest!«, ins Zimmer. »Wie liebenswürdig von Euch, dass Ihr uns besuchen kommt.«
    Er stand auf, während sie näher kam, wobei er sich mit der trägen Geschmeidigkeit einer großen Katze bewegte. Sein Blick war auf sie gerichtet, und seine grünen Augen bildeten einen starken Kontrast zu seinem gepflegten schwarzen Haar. Ganz gegen die derzeitige Mode hatte er es aus dem Gesicht gestrichen und im Nacken mit einem schlichten Lederband zusammengebunden. Das glänzende Haar erinnerte Alise an das Gefieder eines Raben. Heute trug er sein dunkelblaues Jackett, doch der einfache Schal um seinen Hals passte farblich zum Grün seiner Augen. Aus seinem wettergegerbten Gesicht blitzten weiße Zähne, als er sie anlächelte und sich verneigte. Alises Herz setzte einen Schlag aus. Denn dieser Mann war schön,

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