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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Zylinder aus dem Beutel gezogen, und sie fragte sich, von welchem Tier wohl solch ein großes und schwarz schimmerndes Horn stammte. Mit einer Drehung entfernte Hest den Holzpfropfen und zog äußerst vorsichtig den Inhalt heraus. Die Rolle war von bräunlich-blasser Farbe, und das dicke, aber glatte Pergament war um ein poliertes, schwarzes Rundholz gewickelt. An den Rändern wirkte die Rolle etwas ausgefranst, aber von außen waren keine Anzeichen von Wasserschäden, Insektenbefall oder Schimmel zu sehen. Hest reichte ihr die Rolle. Sie hob die Hände, ließ sie aber wieder in ihren Schoß fallen, und als sie sprach, bebte ihre Stimme. »Was … um was geht es darin?«
    »Das weiß niemand so richtig. Doch die Rolle enthält Bilder einer Elderlingsfrau mit schwarzem Haar und goldenen Augen. Und ein Drache in denselben Farben ist zu sehen.«
    »Dann war sie eine Königin«, keuchte Alise. »Ich weiß nicht, wie man ihren Namen übersetzt. Aber eine gekrönte Frau mit dunklem Haar und goldenen Augen ist in vier weiteren Rollen abgebildet, die ich studiert habe. Und in einer wird sie gezeigt, wie sie in einer Art Korb von einem schwarzen Drachen getragen wird. Er fliegt sogar mit ihr in dem Korb.«
    »Außergewöhnlich«, murmelte Hest. Er saß regungslos da und hielt ihr noch immer die Rolle hin. Da erst fiel Alise auf, dass sie verkrampft die Hände gefaltet hatte. Nach einiger Zeit sagte er: »Möchtet Ihr nicht hineinschauen?«
    Sie holte keuchend Luft. »Ich weiß, wie viel eine solche Schriftrolle wert ist. Ich kann mir denken, wie viel Ihr dafür bezahlt habt.« Sie schluckte. »Ein derart teures Geschenk kann ich nicht annehmen. Das heißt nicht … es ist …«
    »Es würde sich nicht ziemen. Es sei denn, wir wären verlobt.« Nun klang seine Stimme sehr tief. War das eine Bitte oder Hohn?
    »Ich begreife nicht, weshalb Ihr mir den Hof macht!«, brach es schlagartig aus ihr hervor. »Ich bin nicht hübsch. Meine Familie ist weder vermögend noch einflussreich. Meine Mitgift ist erbärmlich. Und ich bin noch nicht einmal mehr jung. Ich bin über zwanzig! Und Ihr, Ihr habt alles, Ihr seid schön, reich, klug und charmant … Warum tut Ihr das? Warum werbt Ihr um mich?«
    Er war ein Stück vor ihr zurückgewichen, schien sich aber nicht beirren zu lassen. Im Gegenteil: Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Findet Ihr das lustig? Ist das irgendein Witz, eine Wette vielleicht?«, fragte sie aufgebracht.
    Bei diesen Worten schwand das Lächeln aus seinen Zügen. Jäh stand er auf, wobei er die Rolle noch immer in der Hand hatte. »Alise, das ist … mehr als beleidigend! Dass Ihr mich einer solchen Sache verdächtigen könnt! Denkt Ihr tatsächlich so über mich?«
    »Ich weiß nicht, was ich von Euch halten soll«, entgegnete sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Ich weiß nicht, weshalb Ihr mich damals zum Tanz gebeten habt. Ich habe keine Ahnung, weshalb Ihr mir den Hof macht. Und die ganze Zeit über habe ich Angst, dass dies alles in einer Enttäuschung endet und … und in Demütigung, wenn Ihr schließlich feststellt, dass ich Eurer nicht angemessen bin, und Ihr Euch dann einer anderen zuwendet. Ich hatte mich schon an den Gedanken gewöhnt, dass ich nicht mehr heiraten werde. Ich hatte einen anderen Lebensinhalt gefunden. Und jetzt fürchte ich, dass ich sowohl meinen Frieden mit dem Jungferndasein verliere als auch die Gelegenheit, aus mir mehr zu machen als nur ein verwelktes älteres Fräulein, das bei seinem Bruder im Hinterstübchen haust.«
    Langsam ließ sich Hest wieder auf den Stuhl sinken. Die kostbare Rolle hielt er schlaff in der Hand, als habe er sie vergessen oder zumindest vergessen, wie wertvoll sie war. Alise zwang sich, nicht hinzuschauen. Als er wieder sprach, kamen die Worte sehr schleppend. »Noch einmal, Alise, Ihr habt mir klargemacht, dass ich Euch gegenüber ungerecht war. Ihr seid wahrhaftig eine ungewöhnliche Frau.« Er hielt inne, und Alise schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis er fortfuhr. »Ich könnte Euch nun anlügen, Euch mit süßen Worten schmeicheln und vorgeben, von Euch betört zu sein. Doch ich muss erkennen, dass Ihr einen solchen Trick bald durchschauen und mich für den Versuch noch viel mehr verachten würdet.« Er schloss den Mund erneut für einige Zeit, bevor er weitersprach.
    »Alise, Ihr sagt, dass Ihr nicht mehr jung seid. Das bin ich auch nicht mehr. Ich bin fünf Jahre älter als Ihr. Und ich bin, wie Ihr es so frank ausgedrückt habt,

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