Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
Eure Studien verfolgt. Ich glaube sogar, dass wir nach der Hochzeit ziemlich erleichtert sein werden, dass uns unsere Eltern nicht mehr im Nacken sitzen. Also. Könnt Ihr mir heute noch eine Antwort geben, Alise? Werdet Ihr mich heiraten?«
Er zögerte. Ihr verschlug es ob seines ungeheuerlichen Antrags den Atem. Vielleicht dachte er, dass sie zögerte, denn er wiederholte, was für jede andere Frau eine abscheuliche Beleidigung gewesen wäre. In ihrem Fall war es jedoch nur das Anerkennen von Tatsachen. »Ich glaube nicht, dass Ihr ein besseres Angebot bekommen werdet. Ich bin reich. All die beschwerlichen Arbeiten im Haus werden Bedienstete erledigen. Ihr könnt so viele Haushälterinnen und Diener anstellen, wie Ihr wollt. Stellt einen Sekretär und einen Koch ein, um Empfänge und Feste zu planen. Was auch immer Ihr an Dienerschaft benötigt, um die Fassade zu wahren, sollt Ihr bekommen. Dann werdet Ihr nicht nur Zeit haben, Eure Studien fortzuführen, sondern auch genügend Geld, um Euch alle Schriftrollen und Bücher zu kaufen, die Ihr benötigt. Und wenn Ihr wegen Eurer Studien verreisen müsst, habt Ihr in mir einen geeigneten Begleiter, der Euch das Reisen ermöglichen wird. Ich bedaure aufrichtig, dass Ihr wegen mir die Gelegenheit verpasst habt, den Drachen beim Schlüpfen zuzuschauen. Und wenn Ihr meinen Antrag annehmt, verspreche ich Euch, dass Ihr den Regenwildfluss hinauffahren und diese Geschöpfe so lange beobachten könnt, wie Ihr nur wollt. Gebt Euch einen Ruck. Auf einen besseren Handel könnt Ihr nicht hoffen!«
Langsam entgegnete Alise: »Ihr wollt mich kaufen, weil Ihr Euch dadurch ein leichteres Leben erhofft. Ihr wollt mich mit Schriftrollen und mit Zeit für meine Forschungen kaufen.«
»Ihr drückt es etwas unfein aus, aber …«
»Ich bin einverstanden«, sagte sie hastig. Sie streckte ihm die Hand hin in der Annahme, er würde sie ergreifen, zu seinen Lippen heben und küssen. Vielleicht würde er sie womöglich sogar zu sich heranziehen und umarmen. Doch stattdessen nahm er ihre Hand lächelnd und schüttelte sie fest, als wären sie zwei Männer, die gerade einen Handel besiegelten. Dann drehte er ihre Hand mit der Innenfläche nach oben und legte die kostbare Schriftrolle hinein. Sie war schwer. Vielleicht war sie für längere Haltbarkeit mit Öl eingerieben worden. Der Duft ihrer Geheimnisse stieg verheißungsvoll zu Alise auf. Schnell hob sie die andere Hand, um das wertvolle Stück mit beiden Händen zu fassen. Als Hest schließlich etwas erwiderte, war seine tiefe Stimme mit Zufriedenheit erfüllt.
»Mit deiner Erlaubnis werde ich unsere Verlobung beim Sommerball bekannt geben. Selbstverständlich erst, nachdem ich bei deinem Vater um deine Hand angehalten habe.«
»Ich glaube kaum, dass du ihn groß bitten musst«, murmelte sie. Sie drückte die Schriftrolle an ihre Brust, als wäre sie ihr Erstgeborenes, und fragte sich, auf was sie sich da eingelassen hatte.
Hests Absätze klapperten laut auf den Steinstufen vor der Tür, als er das bescheidene Haus der Kincarrons verließ. Sedric, der sich gegen das große rote Rad des Ponywagens gelehnt hatte, richtete sich auf. Er strich sich das braune Haar aus den Augen und lächelte seinem groß gewachsenen Freund entgegen. Das breite Grinsen auf Hests Gesicht verhieß gute Kunde. Das kleine Pferd hob den Kopf und wieherte leise, und Sedric fragte: »Und?«
»Ihr seid ja beide ziemlich ungeduldig«, sagte Hest im Näherkommen scherzhaft.
»Nun ja, du hast ein bisschen länger gebraucht, als wir gedacht haben«, gab Sedric zu, während er auf den Sitz kletterte und zu den Zügeln griff. »Ich habe schon befürchtet, es würde nicht so gut laufen. In letzter Zeit standen die Zeichen ja nicht besonders ermutigend.«
Mit seinen langen Beinen erklomm Hest mühelos den Beifahrersitz des engen Wagens und setzte sich seufzend. »Ich hasse dieses neumodische Gefährt. Die obere Kante der Lehne drückt mir ins Kreuz, und die Räder lassen kein einziges Loch in der Straße aus. Wie froh werde ich sein, wenn Vater mir gestattet, die Kutsche wieder in Betrieb zu nehmen!«
Sedric schnalzte, und das Pony legte sich ins Geschirr. »Das wird vermutlich nicht so schnell passieren. Solange die Straßen in einem derart schlechten Zustand sind, ist dies die vernünftigste Art der Fortbewegung. So kommen wir viel leichter durch die verstopften und verstellten Straßen. Auf der Goldallee stapelt sich diese Woche überall Holz wegen der
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