Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
uns helfen würdest, das zu tun, was für Teermann am besten war, und dass du es für dich behalten würdest. Nun, jetzt, wo es getan ist, will ich, dass du als Steuermann auf Teermann bleibst. Und zwar für immer. Wenn ich statt deiner einen neuen Mann an Bord nehme, merkt der sofort, dass dieses Boot selbst für ein Lebensschiff noch ungewöhnlich ist. Und ich werde nicht wissen, ob ich ihm vertrauen kann. Vielleicht ist er ein Prahlhans, oder womöglich gehört er zu der Sorte, die meint, er könne mir Geld abpressen für sein Schweigen. Dann müsste ich Schritte einleiten, die ich nicht ergreifen möchte. Viel lieber würde ich dich behalten, so lange wie möglich. Für den Rest deines Lebens, falls du mir deine Unterschrift gibst.«
»Und was, wenn ich es nicht tue?«
Leftrin schwieg einen Moment. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte geglaubt, seine Leute gründlich ausgewählt zu haben. Dass Swarge zögern würde, hatte er sich nicht vorstellen können. Deshalb sagte er, was ihm als Erstes durch den Kopf schoss: »Warum solltest du das nicht tun? Was hindert dich daran?«
Swarge rutschte auf dem Stuhl hin und her, warf einen Blick auf die Flasche und sah wieder weg. Leftrin wartete. Sein Steuermann war nicht gerade für seine Gesprächigkeit bekannt. Leftrin schenkte jedem noch einen Schluck Rum ein und zwang sich zur Geduld.
»Ich habe da eine Frau getroffen«, rückte Swarge endlich heraus. Doch weiter nichts. Sein Blick war auf die Tischplatte gerichtet, wanderte zu Leftrin und glitt dann wieder zurück.
»Was ist mit der?«, fragte Leftrin schließlich.
»Wollte sie fragen, ob sie mich heiratet.«
Leftrin sackte in sich zusammen. Es wäre nicht das erste Mal, dass er einen guten Matrosen an Frau und Heim verloren hatte.
In der kürzlich wieder instand gesetzten und erneuerten Halle der Händler roch es noch immer nach frischem, mit Öl behandeltem Holz. Für die Feier hatte man die Sitzbänke an die Wände geschoben, sodass in der Mitte eine große Fläche frei war. Durch die Fenster schien die Nachmittagssonne herein. Blasser werdende Lichtquadrate bildeten sich auf dem gewienerten Boden, und das Licht fiel auf diejenigen, die gekommen waren, um Zeuge der Eheversprechen zu werden. Die meisten Gäste trugen die traditionellen Gewänder der Händler in den Farben ihrer Häuser. Auch einige Drei-Schiffe-Leute waren dabei und sogar eine Tätowierte in langer, gelber Seidenrobe.
Hest war noch nicht eingetroffen.
Alise redete sich selbst gut zu, dass das nicht weiter schlimm war. Er würde kommen. Schließlich hatte er das alles arrangiert, da würde er jetzt schwerlich einen Rückzieher machen. Wenn nur der Nachmittag etwas kühler wäre und das Kleid nicht ganz so eng ansitzen würde. »Du wirkst ein bisschen blass«, flüsterte ihr Vater. »Geht es dir gut?«
Sie musste an den ganzen Puder denken, den ihre Mutter ihr aufs Gesicht gestäubt hatte, und konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. »Mir geht es gut, Vater. Nur ein bisschen nervös. Sollen wir ein bisschen umhergehen?«
Langsam gingen sie durch die Halle, und ihre Hand lag auf seinem Unterarm. Die Gäste grüßten und beglückwünschten Alise einer nach dem anderen. Manche bedienten sich bereits vom Punsch, und andere studierten ungeniert die Punkte des Ehevertrags. Die zweifach ausgeführten Rollen dieses Vertragswerks waren auf einem langen Tisch in der Mitte ausgebreitet. In silbernen Kerzenhaltern steckten weiße Kerzen, in deren Licht man die filigrane Schrift lesen konnte. Auf Hest und Alise warteten bereits zwei schwarze Federn und rote Tinte.
Dies war ein besonderer Brauch in Bingtown. Vor der um einiges kürzeren Einsegnung wurde der Ehevertrag geprüft, laut verlesen und von beiden Familien unterschrieben. In Alises Augen war dies nur konsequent. Schließlich waren sie ein Volk von Händlern, deshalb wurden Hochzeiten genauso ausgehandelt wie alles andere auch.
Erst, als sie die Kutschenräder in der Auffahrt hörte, merkte Alise, wie bange ihr ums Herz war. »Das muss er sein«, flüsterte sie ihrem Vater aufgeregt zu.
»Wird auch Zeit«, erwiderte dieser mit bedrohlichem Unterton. »Wir sind vielleicht nicht so reich wie die Finboks, aber die Kincarrons sind dennoch Händler wie sie. Mit uns treibt man keine Scherze. Und uns beleidigt man auch nicht.«
Jetzt erst fiel Alise auf, dass ihr Vater tatsächlich befürchtet hatte, Hest könnte sie in letzter Minute verschmähen und die Eheverträge nicht unterschreiben.
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