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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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brachte, wie sie plötzlich feststellte, auch ein Gefühl der Erleichterung mit sich.
    »Hast du Angst?«, fragte Sophie, als sich ihre Blicke in dem kunstvoll gerahmten Spiegel trafen.
    »Es geht so«, gab Alise zurück und versuchte, ihr Lächeln im Zaum zu halten.
    »Wird es für dich seltsam sein, wenn ihr zu dritt ein Haus teilt?«
    »Du meinst wegen Sedric? Natürlich nicht! Er war schon immer mein Freund, und ich freue mich unermesslich, dass er und Hest so gut miteinander auskommen. Die anderen Händler in Hests Kreisen kenne ich kaum. Darum bin ich froh, dass ich einen alten Freund an meiner Seite weiß, wenn ich mich in meinem neuen Leben einrichte.«
    Wieder trafen sich ihre Blicke im Spiegel, und Sophie schien erstaunt zu sein. Dann neigte sie den Kopf zur Seite und sagte: »Tja, du hast es schon immer verstanden, das Beste aus allem zu machen! Und ich glaube, mein Bruder wird sich glücklich schätzen, dass er in dir eine so unverbrüchliche Verbündete hat. Schöner, als du ohnehin schon bist, kann ich dich auch nicht mehr machen. Du machst einen solch glücklichen Eindruck. Bist du es denn auch?«
    »Ich bin es wirklich«, versicherte sie ihrer Freundin.
    »Dann lasse ich dich mit meinen allerbesten Wünschen allein. Gute Nacht, Alise!«
    »Gute Nacht, Sophie.«
    Nun saß sie alleine vor dem Spiegel. Sie ergriff die Bürste und fuhr sich erneut durchs rote Haar. Dabei erkannte sie die Frau im seidenen Frisiermantel fast nicht wieder. Da ihre Mutter sie ausgiebig gepudert hatte, waren die Sommersprossen einigermaßen verdeckt. Nicht nur im Gesicht, sondern auch im Ausschnitt und auf den Armen. Sie stand im Begriff, einen Schritt in ein Leben zu machen, das sie sich nicht mehr ausgemalt hatte, seit sie ein kleines Mädchen voller Träume gewesen war. Unten spielten die Musiker ein letztes Stück, mit dem die Gäste hinauskomplimentiert wurden. Das Schlafzimmerfenster war geöffnet. Von draußen hörte sie die Kutschenräder in der Auffahrt, während sich Gast um Gast verabschiedete. Sie rang um Geduld, denn sie wusste, dass Hest so lange unten bleiben musste, bis der Letzte gegangen war. Endlich schloss sich die Haustür endgültig, und durchs Fenster hörte sie die Stimmen ihrer Eltern, die Hests Vater eine gute Nacht wünschten. Ganz sicher waren sie die Letzten. Alise parfümierte sich noch einmal. Zwei Kutschen fuhren weg. Um das Licht im Raum etwas abzudunkeln, blies sie die Hälfte der Duftkerzen aus. Unten war alles still. Und so wartete sie im kerzenbeschienenen Schlafzimmer, das mit eleganten Vasen voller wohlriechender Blumen geschmückt war, auf ihren Gemahl. Mit klopfendem Herzen verharrte sie, lauschte angestrengt, um seine Schritte auf der Treppe zu vernehmen.
    Sie wartete. Die Nacht rückte vor, und es wurde kälter. Sie warf sich ein weiches Tuch aus Lammwolle um und setzte sich neben den Kamin. Selbst die Insekten hatten zu zirpen aufgehört. Nur ein einsamer Nachtvogel rief, bekam aber keine Antwort. Langsam ging es mit ihrer Stimmung bergab, aus freudiger Erwartung wurde Nervosität, dann Sorge, und schließlich Verwirrung. Das wärmende Feuer brannte herunter. Sie legte ein Scheit Holz nach, blies die flackernden Kerzen in ihren reich verzierten silbernen Haltern aus und zündete die andere Hälfte wieder an. Dann setzte sie sich auf den weich gepolsterten Sessel neben dem Kamin, klappte die Beine unters Gesäß und wartete darauf, dass ihr Gatte käme und sein Recht einforderte.
    Als ihr Tränen kamen, konnte sie sie nicht zurückhalten. Und nachdem sie ausgeweint hatte, war sie nicht in der Lage, den Schaden zu beheben, den die salzige Flut auf ihrem gepuderten Gesicht angerichtet hatte. Darum wusch sie die täuschende Tünche einfach ab. Ihrem gesprenkelten Antlitz im Spiegel gegenübergestellt, fragte sie sich, wann sie den Verstand verloren hatte. Hest hatte seine Bedingungen von Anfang an klar und deutlich ausgedrückt. Sie war diejenige gewesen, die daraus ein närrisches Liebesmärchen gesponnen und es über das kalte Stahlgerüst ihrer gemeinsamen Abmachung gelegt hatte. Sie durfte ihm keine Vorwürfe machen. Nur sich selbst.
    Eigentlich hätte sie sich einfach ausziehen und ins Bett gehen sollen.
    Doch stattdessen setzte sie sich wieder neben den Kamin und sah zu, wie die Flammen das Holz auffraßen und dann allmählich erloschen.
    Lange nach Mitternacht, in den untiefen Stunden vor Tagesanbruch, als die letzten Kerzen herunterbrannten, taumelte ihr betrunkener Ehemann

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