Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
Stillen gehen lassen, oder ich wende mich damit ans Händlerkonzil und lege ihm meine Beweise vor.«
Sedric hatte sich gerade hinsetzen wollen. Nun brach er unvermittelt auf dem Stuhl zusammen und sah sie an, das blanke Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben. Plötzlich war es ihr peinlich, dass er diese Szene miterleben musste. »Du musst nicht hierbleiben, Sedric. Es tut mir leid, dass ich dich da mit hineinziehe.« Obwohl sie höfliche Worte suchte, machte das Beben ihrer Stimme ihre Bemühungen zunichte.
»Hineinziehen in was?«, fragte Hest. Er hob fragend eine Augenbraue. »Alise, einen solchen Unsinn höre ich zum ersten Mal von dir, und es wäre klug, wenn du dergleichen nicht wieder von dir gibst! Wie ich sehe, bist du fertig mit Essen. Warum gehst du nicht und lässt uns in Frieden?«
»So wie du mich letzte Nacht in Frieden gelassen hast?«, presste sie voller Bitterkeit hervor. »Ich weiß alles, Hest. Ich konnte es mir zusammenreimen. Teures Körperöl. Ein Landhaus im Drei-Schiffe-Viertel. Der Ring an deiner Hand. Es fügt sich alles zusammen.« Sie holte tief Luft. »Du hast eine Mätresse aus Drei-Schiffe, stimmt’s?«
Sedric stieß einen Schreckenslaut aus, der klang, als würde er japsend um Atem ringen. Hest dagegen blieb ungerührt. »Welcher Ring?«, fragte er. »Alise, du redest Unsinn! Mit deinen kopflosen Anschuldigungen beleidigst du uns beide gleichermaßen.«
Seine Hände waren schmucklos. Doch das kümmerte sie nicht. »Der Ring, den du letzte Nacht getragen hast. Der kleine Stein, der darin eingelassen ist, hat mir die Haut aufgeschürft. Ich kann dir den Kratzer zeigen, wenn du magst.«
»Nichts, was ich weniger gerne sehen würde!«, erwiderte er. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und begann, die Deckel von den Tellern zu nehmen. Er häufte sich Rührei auf einen Löffel, beäugte es missmutig und ließ es wieder in die Schüssel platschen. Dann lehnte er sich zurück und musterte sie. »Bist du dir sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?« Fast klang er besorgt. »Ein paar zufällige Begebenheiten setzt du auf eine Weise zusammen, die beleidigend ist. Der Ring, den du letzte Nacht gesehen hast, gehört Sedric. Wie konntest du nur annehmen, dass er mir gehört? Er hat ihn auf dem Tisch im Wirtshaus liegen lassen, und damit er nicht verloren geht, habe ich ihn mir auf den Finger gesteckt. Heute Morgen habe ich ihm den Ring zurückgegeben. Bist du jetzt zufrieden? Du kannst ihn ja selbst fragen, wenn du willst.« Er nahm den Deckel von einer anderen Schüssel und murmelte: »Was für ein hirnverbrannter Unsinn! Und das vor dem Frühstück.« Er spießte einige kleine Würste auf und schüttelte sie über seinem Teller ab. Die ganze Zeit über hatte Sedric sich nicht gerührt und keinen Mucks von sich gegeben. »Sedric!«, fuhr Hest ihn unvermittelt an.
Dieser fuhr zusammen, starrte Hest an und wandte sich dann hastig Alise zu. »Ja. Ich habe den Ring gekauft. Und Hest hat ihn mir zurückgegeben. Ja.« Dabei sah er äußerst unglücklich drein.
Auf einmal entspannte sich Hest. Gelassen läutete er nach der Dienerschaft. Als das Dienstmädchen erschien, deutete er auf den Tisch. »Bring etwas Warmes zu essen. Das ist widerlich. Und gieße eine frische Kanne Tee auf. Sedric, möchtest du auch ein wenig Tee?«
Als Sedric ihn sprachlos anglotzte, schnaubte Hest aufgebracht. »Sedric trinkt auch Tee.« Sobald die Tür hinter dem Dienstmädchen zuging, forderte er seinen Sekretär auf: »Erklär ihr die Sache mit dem Körperöl, wenn du so gut wärst, Sedric. Und das Landhaus für meine angebliche Mätresse.«
Sedric wirkte, als wäre ihm etwas auf den Magen geschlagen. »Das Öl war ein Geschenk.«
»Für meine Mutter«, unterbrach ihn Hest. »Und das Landhaus nutzt Sedric, nicht ich. Er meinte, er bräuchte ein bisschen Zurückgezogenheit, und ich war einverstanden. Mir schien, dass er diese Bequemlichkeit aufgrund der Dienste, die er mir erweist, sehr wohl verdient hat. Und wen auch immer er dort empfängt, und mit wem er sich dort die Zeit vertreibt, geht mich nichts an. Und dich auch nicht, Alise. Er ist ein Mann, und als solcher hat er gewisse Bedürfnisse.« Er biss ein Stück Wurst ab, kaute und schluckte es hinunter. »Offen gestanden bin ich von all dem erschüttert. Du bist meine Frau. Die Vorstellung, dass du meine Papiere durchstöberst in der Hoffnung, ein widerliches Geheimnis zu finden, nun ja, das ist bestürzend. Was ficht dich bloß an, Weib, dass du
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