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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte. Die Drachen konnten sich nicht in den Wald zurückziehen, weil die Lattenzaunbäume sie daran hinderten, gerade so als wären sie tatsächlich undurchdringliche Zäune. Obwohl die riesigen Bäume in großem Abstand zueinander wuchsen, versperrten ihre Wurzeln und allerlei Dickicht und Rankengewächs die Zwischenräume. Nicht einmal die viel kleineren Menschen vermochten sich ungehindert über den Waldboden zu bewegen. War erst einmal ein Pfad zwischen den Stämmen geschlagen, war er bald ausgetreten und verwandelte sich schließlich in eine Schlammspur. Nein. Für einen Drachen war der einzige Weg aus diesem Wald der nach oben. Noch einmal schlug sie mit ihren nutzlosen Flügeln und legte sie wieder an. Dann löste sie den Blick von den Sternen und schaute sich um. Die anderen hatten sich unter den Bäumen zusammengedrängt. Sintara konnte bei dem Anblick nichts als Abscheu empfinden, denn es waren verkümmerte, missgestaltete Geschöpfe, kränklich, zänkisch, schwach und ohne jede Würde.
    Genau wie sie selbst.
    Sie stapfte durch den Morast, um sich zu ihnen zu gesellen. Ihren Hunger nahm sie schon gar nicht mehr wahr. Seit sie aus dem Kokon geschlüpft war, hatte sie ununterbrochenen Hunger. Heute hatte man sie mit sieben großen, aber nicht sonderlich frischen Fischen und einem Vogel abge speist. Der Vogel war schon steif gewesen. Manchmal träumte sie von warmem, weichem Fleisch, von dem noch das Blut tropfte. Bisher war das ein Traum geblieben. Den Jägern gelang es nur selten, in der Nähe größeres Wild zu erlegen, und wenn sie einmal einen Sumpfelch oder ein Flussschwein erwischten, mussten sie die Tiere für den Transport erst einmal in Stücke zerteilen. Zudem bekamen die Drachen kaum einmal die guten Stücke, sondern mussten sich oft mit Knochen, Gedärmen und Haut, zähen Schenkeln und gehörnten Köpfen begnügen. Das saftige Rückenstück eines Flussschweins oder der zarte Hinterschinken eines Sumpfelchs wanderten so gut wie nie zu den Drachen. Stattdessen landeten sie auf den Tischen der Menschen. Den Drachen warf man wie bettelnden Hunden vor dem Stadttor die Reste und Innereien zu.
    Jedes Mal, wenn Sintara eine Pranke aus dem Morast hob, blieb der Schlamm daran hängen, und auch ihr Schwanz war ständig mit Lehm verkrustet. Doch das Land litt genauso wie die Drachen, da es nie aushärten und sich erholen konnte. Sämtliche Bäume, die den Strand säumten, waren von der Anwesenheit der Drachen gezeichnet. Im unteren Bereich waren die Stämme verschrammt und vernarbt. Manche hatten ihre Rinde ganz verloren, da sich die Tiere daran das Ungeziefer aus den Schuppen rieben, und von den vielen Prankentritten waren Wurzeln freigelegt worden. Einmal hatte Sintara gehört, wie sich die Menschen unterhielten und meinten, dass selbst Bäume mit Stämmen wie Wehrtürmen bei einer solchen Behandlung irgendwann einmal eingehen würden. Man mochte sich nicht ausdenken, was passieren würde, wenn ein solcher Baum umstürzen würde. Vorsichtshalber hatten die Menschen ihre Behausungen in den Ästen dieser Bäume aufgegeben. Aber war ihnen nicht aufgefallen, dass ein stürzender Baum sehr wahrscheinlich die Äste der benachbarten Bäume mitreißen würde? In dieser Beziehung waren Menschen noch dümmer als Eichhörnchen.
    Nur in den Sommermonaten wurde der Strand annähernd fest genug, dass das Laufen darauf weniger mühsam wurde. Im Winter mussten die kleineren Drachen darum kämpfen, ihre Tatzen aus dem Morast zu ziehen, wenn sie sich fortbewegten. Gekämpft hatten sie, doch im letzten Winter waren die meisten von ihnen dennoch gestorben. Der Gedanke daran erfüllte Sintara mit Bedauern. Da sie das Sterben hatte kommen sehen, war sie zweimal schnell genug vor Ort gewesen, um sich den Bauch mit Drachenfleisch und den Geist mit Erinnerungen zu füllen. Jetzt aber waren sie alle dahin, und wenn nicht ein Unfall oder eine Seuche sie dahinraffen würden, würden die übrigen Gefährten den Sommer überstehen.
    Sintara näherte sich den dicht gedrängten Drachen. Das war nicht richtig. Nur Schlangen schliefen eng ineinander verschlungen und zu einem Knäuel verknotet, damit die Unterwasserströmungen der Meere sie nicht auseinandertrieben. Wie es sich gehörte, konnte Sintara sich nur schwach an ihr Leben als Seeschlange erinnern. In ihrer jetzigen Form hatte sie für dieses Wissen auch keine Verwendung. In jenem Leben war sie Sisarqua gewesen, doch die war sie nicht mehr. Nun war sie Sintara, eine Drachin, und

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