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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stämme sammeln. Oder sie wachsen auf Luftwurzeln oder als Parasiten an den Bäumen.« Sie versuchte, es Tats zu erklären, auch wenn sie beim Gedanken daran immer müde wurde. Anstatt über die Zweige, Wipfel und Nebenwege der Regenwildnis zu streifen und Fleisch zu schießen, wo er Wild fand, und zu sammeln, was das Blätterdach hergab, hatte ihr Vater angefangen, einen Teil der Wipfelregion zu kultivieren. Die Idee war nicht neu, nur war es bisher niemandem gelungen, dem Wald über einen längeren Zeitraum vorhersehbare Ernten abzutrotzen. Hin und wieder jedoch glaubte einer wie ihr Vater, er hätte den Trick herausgefunden. Er hatte die verschiedenen Nahrungspflanzen herbeigeschafft und versuchte, sie an Orten zum Wachsen zu bringen, die nicht Sa, sondern er für sie erkoren hatte.
    Ihr Vater war nicht der Erste, der dies versuchte. Daran waren schon andere vor ihm gescheitert. Er war lediglich verbissener und entschlossener als diejenigen, die vor ihm Fehlschläge erlitten hatten. Manche Leute behaupteten, Entschlossenheit wäre etwas Gutes. Doch ihre Mutter hatte Thymara einmal erklärt, dass es lediglich bedeutete, dass ihre Familie länger in Armut leben würde als andere, die mit demselben Experiment gescheitert waren, sich dann aber sogleich wieder aufs Jagen verlegt hatten. Der Anbau nahm den Großteil ihrer Zeit in Anspruch, brachte aber weniger ein als das Sammeln. Dennoch beharrte ihr Vater darauf, denn er glaubte, dass es sich eines Tages auszahlen würde.
    »Ja, das sieht deinem Vater ähnlich«, sagte Tats leise.
    »Meine Mutter sagt, dass alles, was ihr lieb und teuer ist, für die Träume meines Vaters geopfert wurde. Vielleicht ist es so. Ich weiß es nicht. Als ich klein war und er nur gesammelt hat, haben wir in einem Haus mit vier Zimmern gewohnt, das so nah am Stamm errichtet war, dass es selbst bei Stürmen kaum geschwankt hat.«
    Dies waren die besten Häuser der Regenwildnis. Je näher man am Stamm wohnte, desto robuster waren die Gebäude, und desto weniger konnten Wind und Regen einem anhaben. Auch die Märkte am Stamm waren schneller erreicht, und stieg man ein Stück hinunter, fand man die Tavernen und Schaubühnen. Zwar drang weniger Tageslicht in diese Bezirke, doch Thymara war immer der Ansicht gewesen, dass schließlich jeder nach oben klettern konnte, dessen Geist nach Sonne und Wind verlangte. Die Brücken und Stege in der Nähe ihres damaligen Wohnorts waren stabil und mit dicht geflochtenen Schutzwänden eingefasst, die stets vorbildlich instand gehalten wurden. Wenn man auch hochsteigen musste, um ins Sonnenlicht zu gelangen, so hatte man doch die Möglichkeit, hinunterzusteigen, um festen Boden unter den Füßen zu spüren. Thymara selbst war von diesen Ausflügen zwar nie sonderlich begeistert gewesen, aber ihre Mutter hatte sie sehr genossen.
    »Wieso magst du den Boden nicht? Das ist doch der natürlichste Ort, um zu leben. Ich jedenfalls vermisse festen Boden. Ich sehne mich danach, zu gehen oder zu rennen, ohne Angst zu haben, in die Tiefe zu stürzen.«
    Thymara schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich dem festen Grund jemals trauen könnte. Wenn du in der Regenwildnis nahe am Boden bist, dann bist du nahe am Fluss. Und früher oder später steigt der Fluss an. Manchmal urplötzlich, ohne jede Vorwarnung. Was auch immer wir auf dem Boden bauen, hat keinen Bestand. Einmal stieg der Fluss so stark an, dass er die alte Stadt überflutete. Das war schrecklich. Viele der Arbeiter dort waren gefangen und sind ertrunken.« Der breite, unbarmherzige Strom flößte Thymara Angst ein. Es kam regelmäßig zu jahreszeitlich bedingten Überschwemmungen, doch manchmal schwoll er auch überraschend zu einer Flut an. Selbst unter besten Bedingungen war das Wasser leicht säurehaltig. Nach einem Erdbeben aber verwandelte es sich oft in einen grauweißen Strom. Und wenn das Wasser diese Farbe hatte, konnte es leicht den Tod bedeuten, wenn man hineinfiel. Wer ein Boot hatte, versuchte, es aus dem Wasser zu bekommen, bis der Fluss wieder seine übliche Farbe angenommen hatte. Solange sie am Boden war, fürchtete sie jeden Augenblick, der Strom könne anschwellen und sie verschlingen. Nur hoch oben in den kräftigen Bäumen, weit entfernt von den Launen des Wassers und des Sumpflands, fühlte sie sich sicher. Obwohl es eine törichte, eine kindische Angst war, teilte sie sie mit vielen Regenwildleuten.
    Tats tat ihre Befürchtungen mit einem Schulterzucken ab. Er sah auf die

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