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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Hests unverblümte Verachtung etwas ab, unter der all ihre Gedanken erstarben. Nicht nur Sedrics Betragen, auch seine Erscheinung war einnehmend. Seine glänzenden, braunen Locken fielen auf eine ungekünstelte, vollkommen natürliche Weise. Immer strahlten seine Augen, auch wenn er tags zuvor seinen Herrn bis spät in die Nacht durch irgendwelche Spielzimmer oder zu Theatervorstellungen begleitet hatte, die unter Hests neuen Kunden gerade der letzte Schrei waren. Ganz gleich, wie unvermittelt er in die Pflicht genommen wurde, Sedric war jeder Lage gewachsen, erschien zu jeder Zeit tadellos gekleidet und gepflegt und erweckte dabei doch den Eindruck, als ginge ihm alles leicht und mühelos von der Hand.
    Schon lange hatte Alise aufgehört, sich zu wundern, weshalb Hest Sedric zu seinem ständigen Begleiter gemacht hatte. Bei gesellschaftlichen Anlässen war der Mann eine Bereicherung. Da er aus einer Händlerfamilie stammte, wusste er sich in Bingtowns Gesellschaft mühelos zu bewegen und legte bei Handelsgeschäften großen Scharfsinn an den Tag. Als Hest ihm die Stelle als Sekretär angeboten hatte, hatte es eine Welle von Gerüchten gegeben. Offenbar war eine solche Anstellung Sedrics gesellschaftlicher Stellung unwürdig, ganz gleich, wie verarmt seine Familie inzwischen war. Alise hatte es verblüfft, als er das Angebot angenommen hatte. Doch in den folgenden Jahren hatte alle Welt erkannt, dass er weit mehr war als nur ein bescheidener Diener. Er hatte sich als hervorragender Sekretär bewiesen, und auf den langen Seereisen, die Hest Jahr für Jahr unternehmen musste, war er gewiss ein umgänglicher und unterhaltsamer Gefährte. Selbst in Fragen der Kleidung und der Frisur beriet und unterstützte er seinen Herrn. Wenn Hests zuweilen sprunghafte Launen jemanden beleidigten oder eine sich anbahnende Geschäftsbeziehung gefährdeten, wandte Sedric all seine Liebenswürdigkeit und seinen Charme auf, um die Sache wieder auszubügeln.
    Wenn Hest zu Hause weilte, war Sedrics Anwesenheit bei Tisch ein Quell der Freude für Alise. Bei sämtlichen gesellschaftlichen Anlässen stach er heraus, sei es beim Abendessen, beim Kartenspielen oder bei langen Nachmittagstees. Da sie lieber zuhörte als redete, belebte er die Tafel mit seinen Späßen, seinen ironischen Schilderungen ihrer jüngsten Reisemissgeschicke und seinen Sticheleien in Rich tung Hest. Zuweilen kam es ihr vor, als ob sie nur dank Sedric überhaupt etwas über ihren Gatten wusste.
    Aber wusste sie wirklich etwas über ihn? Sie sah Hest an, der ihr ein geistesabwesendes Lächeln schenkte und sich völlig sicher wähnte, die Diskussion aufschieben zu können. Nun, ihnen beiden war klar, dass er der Sache nur so lange ausweichen musste, bis er wieder auf einer seiner Handelsreisen war und sie zu Hause festsaß. Sie nahm all ihren Mut zusammen und erwiderte: »Du hast vielleicht das Versprechen vergessen, dass ich eines Tages die Regenwildnis besuchen und Drachen sehen darf. Aber ich nicht.«
    »Bist du nicht allmählich ein bisschen zu alt für diesen Wunsch?«, fragte er freundlich.
    Diese Gehässigkeit ließ sie zusammenzucken, und sie fragte sich, ob ihm bewusst war, wie häufig er sie mit seinen Worten verletzte. »Zu alt?«, sagte sie leise, und ihre Stimme wurde hart.
    Er kam wieder zurück ins Zimmer. Er hatte es nicht ihretwegen aufgesucht. Vielmehr hatte er sich auf der Suche nach einem Buch hereingeschlichen und wollte sich ebenso unbemerkt wieder hinausstehlen. Er vermochte vollkommen geräuschlos zu gehen. Wenn sie nicht zufällig den Kopf gehoben hätte, hätte sie nicht mitbekommen, dass er in ihrem Zimmer war. Ihre Worte hatten ihn aufgehalten, als er gerade wieder über die Schwelle getreten war. Jetzt zog er die Tür hinter sich zu. Noch immer hielt er das gesuchte Buch in der Hand. Ihr fiel auf, dass es ein teures Werk war, das, wie neuerdings üblich, gebunden war. Während er über ihrer Frage grübelte, drehte er es in Händen.
    »Nun ja, meine Liebe, wie du weißt, haben sich die Zeiten geändert. Im dem Jahr, in dem wir geheiratet haben, waren Drachen der letzte Schrei, doch das ist schon fünf Jahre her. Tintaglia war erst kurz zuvor aufgetaucht, und Bingtown erhob sich sozusagen aus der Asche. Das Gerede über Drachen und Elderlinge und neue Städte voller Schätze sowie unsere Unabhängigkeit von Jamaillia – nun, das war eine berauschende Mischung, nicht wahr? Alle Damen trugen Elderlingsschminke, und die Muster der Stoffe mussten

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