Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
aussehen wie Schuppen! Da war es kein Wunder, dass Drachen deiner Vorstellungskraft Zunder gegeben haben. Es war eine schwere Zeit in Bingtown, als du aufgewachsen bist. Deshalb musstest du der Wirklichkeit entfliehen, und welche Fantasien wären dafür geeigneter als Geschichten über Elderlinge und Drachen? Durch all die neuen Händler, die mit ihrer Sklavenarbeit unsere alte Lebensweise zerstört haben, war der Handel ruiniert worden. Das Vermögen deiner Familie hat darunter gelitten. Und dann kam der Krieg. Wenn Tintaglia nicht aufgetaucht und uns zu Hilfe geeilt wäre, würden wir jetzt alle Chalcedanisch sprechen. Daraufhin hat die Drachin uns in diesen Tauschhandel verwickelt. Wir sollten ihren Schlangen helfen, den Fluss hinaufzugelangen, und die frisch geschlüpften Drachen versorgen. Tja, eines haben wir dabei mit Sicherheit gelernt: Dass die echten Drachen sich von jeglicher Vorstellung unterscheiden, die du dir in deinem Kopf gemacht hast.«
    Er stieß ein leises, verächtliches Schnauben aus. Dann klemmte er sich das Buch unter den Arm, ging quer durch das Zimmer zum Fenster, das auf den Garten hinausging. »Wir waren Narren«, sagte er leise. »Zu glauben, wir könnten mit einer Drachin verhandeln! Na, die hat uns schön reingelegt, nicht wahr? Wir sind näher an einem richtigen Frieden mit Chalced denn je, der Handel erholt sich, Bingtown verjüngt sich, und Tintaglia hat einen Gefährten gefunden und wird wahrscheinlich nie wieder zurückkehren. Im Grunde brechen für jedermann bessere Zeiten an. Doch die Regenwildleute müssen sich noch immer mit der missratenen Brut herumschlagen und die Kosten stemmen, die das verursacht. Die Jungdrachen fressen pausenlos, zertrampeln den morastigen Grund, hinterlassen überall Dreck und behindern die mühsame Erkundung der verschütteten Stadt. Es sind erbärmliche Krüppel, die weder jagen noch auf sich aufpassen können. Alle Händler müssen etwas beisteuern, um die Jäger und das Drachenfutter bezahlen zu können. Und dabei springt keinerlei Gewinn für uns heraus! Niemand hat daran gedacht, eine Auflösungs-Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Und nach allem, was man hört, wird sich die Lage niemals ändern. Diese armseligen Kreaturen werden nie in der Lage sein, für sich selbst zu sorgen, und wer weiß, wie lange die leben? Fünf Jahre warten wir nun schon darauf, dass sie ausgewachsen und unabhängig werden. Doch sie sind es nicht. Es wäre eine Gnade, wenn man sie notschlachten würde.«
    »Und gewinnbringend«, fügte Alise eisig hinzu. Sie spürte, wie sich Stille in ihr ausbreitete. Manchmal erinnerte sie diese Stille an schnell wachsende Efeuranken. Stille bedeckte und umhüllte sie, und Alise ahnte, dass sie eines Tages unter der Stille ersticken würde, die Hest heraufbeschwor. Nur mit großer Anstrengung kam sie nun dagegen an. »Jedermann weiß, wie viel der Fürst von Chalced für eine einzige Drachenschuppe zahlen würde. Stell dir nur vor, was er für einen ganzen Leichnam zahlen würde.« Wenn sie versuchte, in Hests Redepausen eine schneidende Bemerkung zu machen, fühlte sich das an, als wolle sie mit einem Buttermesser in Hartholz stechen. Es blieb nie stecken und hinterließ nur selten einen Kratzer.
    Jetzt wandte er sich zu ihr um, als wäre er überrascht. »Habe ich deine Gefühle verletzt, meine Liebe? Das wollte ich nicht. Ich vergaß, wie empfindsam du im Bezug auf diese Geschöpfe bist.« Er lächelte sie entwaffnend an. »Vielleicht bin ich dieser Tage zu sehr Kaufmann. Das solltest du mir nachsehen, wenn ich frisch von einer Reise wiederkehre. In den letzten Monaten habe ich mit niemandem über etwas anderes gesprochen. Rentabilität, wasserdichte Verträge und günstig ausgehandelte Geschäfte. Ich fürchte, in meinem Kopf ist für nichts anderes mehr Platz.«
    »Gewiss«, sagte sie und sah auf ihren Schreibtisch hinab. Und gewiss sagte sie auch zu sich selbst, während ihre Wut abebbte. Sie war nicht verschwunden, nur in dem Morast aus Unsicherheiten versunken, in dem ihr Leben versank. Wie sollte Alise an ihrer Wut festhalten, wenn er ihr augenblicklich auf eine Weise auswich, die ihren Groll unberechtigt erscheinen ließ? Er war mit den Gedanken woanders gewesen, das war alles. Er war ein viel beschäftigter Mann, vereinnahmt von Verhandlungen, Verträgen und gesellschaftlichen Verpflichtungen. All das tat er zu ihrer beider Wohl, damit sie in der Abgeschiedenheit leben konnte, die sie bevorzugte. Sie konnte nicht von ihm

Weitere Kostenlose Bücher