Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
lang erstarrte Sedric.
Mit ausgestrecktem Messer sprang Jess auf ihn zu, und der Rückstoß, der dabei durch den Stamm ging, unterstützte Sedrics unvermittelten Hechtsprung zur Seite. Messer, Hand und Jäger verfehlten ihn und liefen ins Leere. Aus einer schlagartigen Eingebung heraus gab Sedric dem Jäger einen Stoß in den Rücken, als dieser an ihm vorbeiraste. Dadurch trat Jess neben den Stamm und auf den Teppich aus Unrat. Kurz hielt ihn der Filz aus schlammverschmiertem Schilf und Holz, doch dann brach er mit einem wilden Schrei ein. Er warf die Arme nach oben und tastete hilflos nach den treibenden Ästen, Zweigen und Grasklumpen. Irgendwie gelang es ihm, sich über Wasser zu halten, während er Sedric Flüche entgegenschleuderte. Aber er konnte nicht herausklettern.
Mit zwei Schritten stand Sedric im Boot. Er hatte geglaubt, es würde ihm sicheren Boden bieten, stattdessen aber hüpfte und ruckelte es, als er hineinsprang. Er fiel hin, landete mit den Knien auf der Ruderbank und stieß sich schmerzhaft die Rippen. Gerettet. Sicher im Boot. Wo war das Beil? Und wo war Relpda? »Drache, wo bist du?«, rief er. Er richtete sich auf den Knien auf und sah sich um. Zu seinem Entsetzen konnte er sie nicht spüren. Und auch Jess war verschwunden. War er unter der Treibgutschicht ertrunken? Es fiel ihm schwer, Mitleid für ihn zu empfinden.
Plötzlich und wie ein rachsüchtiger Wassergeist schoss Jess neben dem Boot aus der Brühe. Er bekam den Bootsrand zu fassen, und als er sich daran hinaufzog, geriet das Gefährt in Schräglage. Vor Sorge, aus dem Boot zu kippen und wieder in dem beißenden Wasser zu landen, kreischte Sedric auf. Doch der große, tropfende Kerl wälzte sich schließlich an Bord. Sogleich wollte Sedric aus dem Boot fliehen, aber Jess umschlang seine Beine. Wieder stürzte Sedric und schlug mit Rippen und Bauch auf den Bootsrand und den Stamm, an dem es angebunden war. Der Jäger ergriff ihn hinten am Hemd und am Haar, riss ihn zurück in das Gefährt und hieb ihm kräftig ins Gesicht.
Bis auf einige Raufereien als Junge hatte Sedric keinen ernsthaften Kampf erlebt. Manchmal war Hest etwas rauer mit ihm umgesprungen, wenn ihm danach war, seine Überlegenheit zu zeigen und ihrer Beziehung eine herbere Note zu verleihen. In der ersten Zeit hatte es Sedric erregt, wenn Hest ihn hart rangenommen hatte. Im letzten Jahr jedoch hatte Hest sich diese Spielart für Tage aufgehoben, an denen Sedric auf einem anderen Gebiet sein Missfallen erregt hatte. Ein paarmal kam es so weit, dass Sedrics Erregung über die grobe Behandlung umgeschlagen war in Furcht, Hest könne ihm im Eifer des raubtierhaften Spiels tatsächlich etwas antun. Schlimmer noch: Hest schien es zu genießen, diese Furcht in Sedric zu wecken. Einmal hatte Hest ihn beinahe bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, ohne dabei in seinem eigenen lustvollen Treiben nachzulassen. Erst als er von Sedric heruntergerollt war, hatte Sedric sich wieder rühren und Luft holen können. Mit tanzenden schwarzen Flecken vor den Augen hatte er gekeucht: »Warum?«
»Um zu sehen, wie es wäre, warum sonst? Hör auf zu heulen. Du hast ja keinen Schaden erlitten, nur deine Gefühle sind vielleicht ein bisschen verletzt.«
Hest war aufgestanden und hatte ihn liegen lassen. Sedric hatte sich mit Hests Urteil, dass er nicht eigentlich verletzt sei, abgefunden. Die Erinnerung daran schoss ihm nun durch den Kopf, und mit ihr kam der Entschluss, den er kurz nach diesem Vorfall verdrängt hatte: Nie wieder. Wehr dich.
Aber Jess’ Angriff war anders als alles, was Hest mit ihm getan hatte. So heftig ins Gesicht geschlagen zu werden, versetzte ihm nicht nur einen Schreck, sondern betäubte ihn auch. Schlaff hing er im Griff des Jägers und versuchte die nötige Kraft aufzubringen, um die Hand zu heben oder sie zur Faust zu ballen. Dann lachte der Kerl, und das Geräusch erfüllte Sedric mit der Kraft der Angst. Mit aller Macht stieß er die Faust vor und hieb sie Jess unterhalb des Brustbeins in den Bauch. Darauf entwich Jess pfeifend die Luft, und er wurde rücklings ins Boot geschleudert.
Einen halben Atemzug lang war Sedric obenauf und ließ Schläge auf den Jäger herabregnen, aber er war benommen, und seine Bewegungen waren kraftlos. Jess schnellte hoch und schlang die Arme um Sedric. Mühelos, als wäre sein Gegner ein Kind, wälzte der Jäger ihn herum, bis er ihn mit seinem Gewicht am Boden festnagelte. Dann schlossen sich die breiten Hände des Jägers um
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