Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
werde ein paar Hüter damit beauftragen, Nahrung für heute Abend zu sammeln. Die wird größtenteils aus Obst und Gemüse bestehen. Zum Glück habe ich einen kühlen Kopf bewahrt, sodass wir drei Boote retten konnten. Allerdings haben wir keine Paddel mehr, sie sind zusammen mit fast der gesamten Ausrüstung über Bord gegangen. Deshalb werden wir kaum Fisch und Fleisch für die Drachen beschaffen können.«
Carson nickte bedächtig. »Verdammt. Wir können zwar ein paar Ruder schnitzen, aber das wird dauern. Und die verlorene Ausrüstung werden wir größtenteils gar nicht ersetzen können. Allenfalls Fischspeere könnten wir versuchen herzustellen, auch wenn es im Grunde dann bloß angespitzte Stecken sind. Aber immerhin seid ihr am Leben.«
Greft kniff die Augen zusammen, und Alise merkte, dass dies nicht die Antwort war, die er sich von dem Jäger erhofft hatte. »Leben zu retten erschien mir wichtiger, als Ausrüstung zu retten«, versetzte er beißend. »Ich habe getan, was zu diesem Zeitpunkt möglich war.«
Ihr wurde klar, dass er von dem Jäger hatte gelobt werden wollen. Dass er als der Retter der Hüter betrachtet werden wollte. »Und Ihr habt Thymara und mir geholfen, als Sintara uns hierhergebracht hat«, warf Alise ein, um sein Gemüt zu besänftigen. Doch er bedachte sie mit einem Blick, der einer Ohrfeige gleichkam. Plötzlich erinnerte er sie an Hest und daran, wie wütend sich ihr Gatte selbst in Gesellschaft gebärden konnte, wenn sie während eines »Gesprächs unter Männern«, wie er es nannte, das Wort ergriff. Ihr Mitgefühl mit Greft löste sich in Luft auf. Fast schon gehässig fügte sie hinzu: »Die meisten Vorräte hat ja Thymara besorgt. Ich gebe ihr gleich Bescheid, dass sie erneut sammeln soll.«
Sie wandte sich ab und ging davon. Wut kochte in ihr hoch, so heftig, dass sie davon überrascht war. Er ist nicht Hest, rief sie sich streng ins Gedächtnis, und dabei erkannte sie den wahren Grund ihres Grolls. Bald wäre der Mann, den sie lieb gewonnen hatte, wieder bei ihr.
Und ihr Ehemann stand noch immer zwischen ihnen.
Drei kurze Hornsignale!
Als sie zum ersten Mal an sein Ohr gedrungen waren, hatte er noch nicht zu hoffen gewagt. In der feuchten Regenwildnis wurde der Schall zuweilen auf sonderbare Weise verzerrt. Seit Stunden hatte Leftrin nichts mehr von Carson gesehen. Der Jäger war hinter einer der lang gezogenen Biegungen des gewaltigen Flusses verschwunden. Dann war Teermann aufgehalten worden, denn Davvie hatte genau das entdeckt, was Leftrin am meisten fürchtete: Am Ufer hatte sich in Treibholz und Pflanzenresten eine Leiche verfangen.
Es war Warken, und er war nicht ertrunken, sondern vom Treibgut zerschmettert worden. Behutsam hatten sie den Leichnam des jungen Hüters geborgen, ihn in ein Tuch gewickelt und aufs Deck gelegt. Jedes Mal, wenn er an ihm vorbeikam, hielt Leftrin ihn für ein schlechtes Vorzeichen für die Dinge, die da kommen würden. Wie viele weitere verhüllte Leichen würden Teermanns Planken bedecken, ehe der Tag sich neigen würde?
Deshalb war er skeptisch gewesen, als er die drei Hornstöße zum ersten Mal in aller Deutlichkeit gehört hatte. Er hatte Davvie angewiesen, das Signal zu erwidern, und Teermann gebeten, Geschwindigkeit aufzunehmen. Noch während der Kahn seiner Bitte nachkam, ermahnte sich Leftrin, dass die Horntöne alles bedeuten konnten. Carson mochte Überlebende entdeckt haben, aber genauso gut konnten es auch weitere Leichen sein. Doch als das Schiff um die Biegung gefahren und das kleine Lager mit dem qualmenden Signalfeuer in Sicht gekommen war, hatte sein Herz einen Satz gemacht. Mit zusammengekniffenen Augen hatte er zu den kleinen Gestalten im Schatten der großen Bäume gespäht und versucht, ihre Gesichter zu erkennen.
Schon aus großer Entfernung hatte er sie erspäht. Der von der Sonne beleuchtete prächtige rote Haarschopf war unverwechselbar. Leftrin hatte einen Freudenschrei ausgestoßen, und wie zur Antwort hatte Teermann an Fahrt zugelegt. »Ganz ruhig, Teermann ! Wir werden schon bald genug ankommen!«, hatte Swarge ausgerufen, und das Schiff hatte widerwillig das Tempo gedrosselt. Nicht einmal ein Lebensschiff war gegen alle Gefahren gefeit, die der Fluss barg. Jetzt wäre kein guter Zeitpunkt gewesen, gegen einen Felsen oder einen treibenden Baum zu stoßen.
Es fiel ihm schwer, an Bord zu bleiben und geduldig zu warten, bis Carson damit begann, die Hüter langsam zum Kahn zu rudern. Doch er wagte es nicht,
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