Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
sich damit nur noch tiefer in dieses abscheuliche Thema manövrierte.
Sie wollte weglaufen, weg von der Dummheit, die dieser dumme Greft mit seinem dummen Vortrag in die Welt gesetzt hatte. Tats schien dies offenbar zu wissen. Denn er legte seine schwielige Hand auf ihre. Sie spürte die weiche Haut auf ihrem verbrannten Handrücken, und von der Berührung ging Wärme aus und durchströmte sie. Kurz stockte ihr der Atem. Ihre Gedanken wanderten blitzartig zu Jerd und Greft und wie sie sich in enger Umschlingung zusammen bewegt hatten. Nein. Sie untersagte sich solche Vorstellungen und rief sich in Erinnerung, wie kalt, glitschig und schuppig ihre Hand unter seiner war. Wie ein Fisch. Er sah nicht hinab auf die Hand, die er gefasst hielt. Er holte Luft und atmete geräuschvoll aus. »Es ist auch keine Frage. Keine bestimmte Frage jedenfalls. Aber, nun ja, ich hätte auch gern, was Greft und Jerd haben.«
Das wollte sie auch.
Nein! Natürlich wollte sie das nicht. So war sie nicht.
»Was Greft und Jerd haben? Du meinst miteinander schlafen?« Ihr gelang es nicht, den anklagenden Tonfall gänzlich aus ihren Worten herauszuhalten.
»Nein. Nun, doch. Aber sie gehören zusammen. Eine solche Gewissheit möchte ich auch.« Er sah weg und sprach sanfter, als wäre sie zerbrechlich. »Mir ist bewusst, dass Rapskal noch nicht lange weg ist, aber …«
»Wie kommt ihr nur alle auf die Idee, dass Rapskal und ich mehr als einfache Freunde waren?«, platzte sie ungehalten heraus. Mit einem Ruck zerrte sie ihre Hand unter seiner hervor und schob sich damit eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Er wirkte erstaunt. »Du warst immer mit ihm zusammen, die ganze Zeit. Seit wir Cassarick verlassen haben. Ihr habt euch immer das Boot geteilt, immer miteinander geschlafen …«
»Er hat sich zum Schlafen immer neben mich gelegt. Und außer ihm hat mir niemand angeboten, das Boot zu teilen. Ich mochte ihn, wenn er mir nicht quer gekommen ist, mich genervt oder seltsame Sachen gesagt hat.« Plötzlich erschien es ihr wie ein Treuebruch, dass sie derart über ihn lästerte. Sie hielt inne und gestand flüsternd: »Ich habe ihn sehr gemocht. Aber ich habe nie daran gedacht, ihn zu lieben, und ich glaube nicht, dass er mich auf diese Weise gesehen hat. Eigentlich bin ich mir da sogar ziemlich sicher. Er war einfach nur mein sonderbarer Freund, der immer die guten Seiten gesehen hat und immer heiter gewesen ist. Ständig ist er zu mir gekommen. Ich musste nichts tun, damit er mein Freund war.«
»Das war er«, stimmte ihr Tats leise zu. Kurz schwiegen sie in gemeinsamer Trauer, und in diesem Augenblick fühlte sie sich Tats so nahe wie schon lange nicht mehr. Schließlich brach sie das Schweigen. »Was war der andere Grund?«
»Was?«
»Du wolltest es mir gerade sagen, als ich dich unterbrochen habe. Was ist der andere Grund, weshalb du glaubst, es wäre das Beste, wenn ich allen sagen würde, dass ich … dass ich mit dir zusammen bin.« Sie suchte nach einer besseren Umschreibung, fand aber keine und gab es auf. Sie sah ihn geradewegs an und wartete.
»Dann wären die Dinge geklärt. Und es würde den Mutmaßungen ein Ende machen. Es herrscht eine, nun ja, Missstimmung. Bei den anderen. Nortel hat da so ein paar Bemerkungen fallen lassen …«
»Zum Beispiel?«, fragte sie schroff.
Er wurde unverblümt. »Dass ich nicht zu euch gehöre, und dass du mit jemandem von deiner eigenen Art zusammen sein solltest, mit jemandem, der dich wirklich verstehen kann.«
»Das hört sich ganz danach an, als hätte Greft seine Finger im Spiel.«
»Vermutlich. Er sagt oft solche Dinge. Spät abends am Feuer. Meistens, nachdem die Mädchen schon schlafen gegangen sind. Dann erzählt er davon, wie es sein wird, wenn wir Kelsingra gefunden haben. Wenn es nach ihm geht, bauen wir dort unsere eigene Stadt. Nun, zunächst wird es natürlich noch keine Stadt sein. Aber wir werden dort siedeln und uns eine Heimat aufbauen. Dann werden andere kommen und sich uns anschließen, aber wir Hüter bleiben die eigentlichen Gründer. Wir machen die Gesetze.
Und was er sagt, klingt dann so logisch, dass man es für bare Münze nimmt. Und meistens läuft es auch so, wie er es will. Als wir herausbekommen haben, dass Jerd, nun ja, ein Kind bekommen wird, meinte er, dass jemand die Verantwortung übernehmen müsse, auch wenn sie nicht wüsste, von wem es ist. Dann sagte er, dass er als gutes Beispiel voranschreiten würde, und das hat er dann auch gemacht. Später
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