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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eingehüllte Leiche betrachten, ohne daran denken zu müssen, dass es jeden von ihnen hätte treffen können.
    Sintara griff das Bild in Thymaras Kopf auf und wandte es sogleich gegen sie. »Was wäre dein Wunsch, wenn du morgen sterben würdest? Dass du im Fluss verfaulst und von den Fischen gefressen wirst? Oder dass du von mir verschlungen wirst, sodass deine Erinnerungen in mir weiterleben?«
    »Dann wäre ich tot und es wäre mir in beiden Fällen gleichgültig«, gab Thymara schroff zurück. Sie spürte, dass die Drachin sie gegen die anderen Hüter ausspielen wollte, und fühlte sich nicht wohl dabei.
    »Genau darauf wollte ich hinaus«, schnurrte Sintara. »Warken ist tot. Ihm ist alles gleichgültig. Baliper jedoch nicht. Deshalb gebt Baliper die Leiche.«
    Plötzlich meldete sich Harrikin: »Ich würde nicht am Grund des Flusses verfaulen wollen. Ich würde mich lieber Ranculos überlassen. Ich möchte, dass das hier jeder weiß. Falls mir etwas zustößt, sollt ihr meinen Leichnam meinem Drachen geben.«
    »Dasselbe gilt für mich«, sagte Kase, und wie vorauszusehen war, schloss sich Boxter an: »Und für mich.«
    »Für mich auch«, rief Sylve. »Ich gehöre Mercor, im Leben und im Tod.«
    »Natürlich«, pflichtete Jerd ihr bei, und Greft fügte hinzu: »Sehe ich auch so.«
    Die Zustimmung machte unter den versammelten Hütern die Runde. Als Thymara an der Reihe war, biss sie sich auf die Lippen und schwieg. Sintara bäumte sich platschend auf, stellte sich auf die Hinterbeine und sah auf sie herab. »Was?«, drängte sie.
    Thymara blickte zu ihr auf. »Ich gehöre mir«, sagte sie ruhig. »Um zu nehmen, musst du geben, Sintara.«
    »Ich habe dich aus dem Fluss gerettet!« Der aufgebrachte Schrei der Drachin zerteilte die Dämmerung.
    »Und ich habe dir von dem Tag an gedient, als ich dich gesehen habe«, gab Thymara zurück. »Aber ich finde nicht, dass wir uns nahe sind. Deshalb behalte ich meine Gedanken für mich, bis eine Entscheidung nötig ist. Und dann muss sie ohnehin von meinen Hüterkameraden gefällt werden.«
    »Unverschämter Mensch! Glaubst du etwa, du kannst …?«
    »Später«, unterbrach Mercor den Streit. »Gebt Baliper, was ihm zusteht.«
    »Warken hätte kein Problem damit gehabt«, beschloss Lecter. Er hatte an der Reling gelehnt und richtete sich nun auf. »Ich mache es.«
    »Ich helfe dir«, sagte Tats leise.
    »Das ist Sache der Hüter«, verkündete Leftrin, als hätten alle auf seine Erlaubnis gewartet. »Swarge zeigt euch, wie ihr den Leichnam mit einer Planke über die Reling schafft. Falls ihr wollt, dass etwas gesagt wird, mache ich das.«
    »Es sollte etwas gesagt werden«, meinte Lecter. »Das würde sich Warkens Mutter wünschen.«
    Und so machten sie es. Thymara sah dabei zu und wunderte sich über die sonderbare kleine Gemeinschaft, zu der sie zusammengewachsen waren. Ich bin Teil von ihr und auch wieder nicht, dachte sie, während sie Leftrins schlichten Worten lauschte und anschließend zusah, wie Warken mit einer Planke über die Reling geschoben wurde. Sie wollte den Kopf von dem abwenden, was als Nächstes geschehen würde, aber brachte es nicht fertig. Sie musste es sich mit ansehen, redete sie sich ein. Sie musste sich vor Augen führen, wie eng die Hüter mit ihren Drachen verbunden waren, dass selbst eine solch makabre und grauenhafte Forderung als vernünftig und das Ganze sogar als unvermeidlich erachtet wurde.
    Baliper wartete. Die Leiche rutschte unter ihrer Hülle hervor, und als sie in den Fluss tauchte, stieß der Drache mit dem Kopf herab und schnappte sie sich. Dann hob er Warken hoch, sodass Kopf und Füße seitlich aus dem Maul hingen, und ging mit ihm davon. Thymara fiel auf, dass die anderen Drachen ihm nicht folgten, sondern halb watend, halb schwimmend zu der flachen Stelle am Ufer zurückkehrten. Baliper hingegen verschwand mit seinem Hüter weiter flussaufwärts im Dunkeln. Demnach verschlang er ihn nicht einfach wie etwas, das die Menschen wegwarfen. Sondern es bedeutete ihm etwas, ihm wie auch den anderen Drachen. Es war ihnen sogar so wichtig, dass sie, nachdem Balipers Bitte anfänglich abgelehnt worden war, alle herbeigekommen waren und Baliper in seiner Forderung beigestanden hatten.
    Die anderen Hüter hielten es ähnlich wie die Drachen. Auch sie zerstreuten sich schweigend von dem Platz an der Reling. Niemand weinte, aber das musste nicht bedeuten, dass keinem danach zumute war. Warkens Leiche zu sehen, hatte ihr Rapskals Abwesenheit

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